Spaghetti in flagranti
Herz rutschte mir dabei in die Hose.
Was, wenn er gleich sagt, dass er nie mehr wiederkommen will?, dröhnte es in meinem Kopf. Was, wenn er sagt, dass er mich zwar liebt, uns aber zu viele Kilometer trennen? Ich erinnerte mich nur zu gut an den Abend, an dem er mir damals in München erklärt hatte, dass er kein Fan von Fernbeziehungen sei, weil er neben der Frau, die er liebte, einschlafen und aufwachen wolle. Und zwar so oft wie nur möglich und nicht bloß alle drei Monate oder wann immer wir es künftig würden einrichten können, diese dämlichen Alpen zu überwinden, die uns voneinander trennten.
»Nun sag schon!« Vor lauter Anspannung hielt ich die Luft an und ballte die Hände zu Fäusten.
Otto zögerte, ehe er antwortete, und rückte erst mal ein Stück näher an mich heran.
Auf einmal war mir, als müsste er mir gleich etwas ganz Schreckliches mitteilen. Wir saßen eng aneinandergekuschelt auf meinem Bett, das ich tagsüber mit mehreren Kissen notdürftig zu einem Sofa umgestaltete. Ich hatte mir das größte davon in den Rücken geschoben, damit ich wenigstens halbwegs bequem saß, auch wenn ich die ganze Zeit herumzappelte.
»Mach’s bitte nicht so spannend«, bettelte ich und verurteilte mich gleichzeitig für meine Jammerstimme.
So was fanden Männer einfach nicht attraktiv. Auch deutsche nicht. Sicherheitshalber schickte ich daher noch ein aufmunterndes Lächeln hinterher.
»Ich hab mir überlegt, dass ich …« Weiter kam er nicht.
Da rüttelte es an der Tür, die ich wohlweislich abgeschlossen hatte, und mamma rief: »Angela, mach auf! Was soll das denn?« Sie hämmerte gegen die Milchglasscheibe, dass ich Angst hatte, das Glas könnte bersten. »Seit wann schließen wir in diesem Haus die Türen ab? Hast du etwas zu verbergen?«
Otto zuckte nur ergeben mit den Achseln. Daher beschloss ich, mich nicht auf einen Kampf einzulassen, und ging zur Tür, um den Schlüssel umzudrehen.
Mehrere frisch gebügelte Hosen auf dem rechten Arm, stürmte meine Mutter herein. »Ah!«, rief sie überrascht. »Hier seid ihr. Babbo sucht euch schon überall. Otto wollte ihm doch helfen, den neuen Kühlschrank einzubauen.«
»Davon weiß ich ja gar nichts«, erwiderte mein Freund verwundert und wollte schon weitersprechen.
Ich winkte ab und legte den Zeigefinger an die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bewegen. Wenn er erst anfing, mit meiner Mutter zu reden, wurden wir sie nicht mehr los.
Ohne uns auch nur anzusehen, ging mamma an meinen Kleiderschrank und räumte die Sachen ein. »Lasst euch von mir nicht stören, ihr Turteltäubchen. Ich bin gleich fertig«, säuselte sie und zog einige Pullover hervor, um sie umständlich neu zu stapeln.
Otto beugte sich zu mir herüber. »Ich mag deine Mutter wirklich sehr«, flüsterte er mir ins Ohr. »Aber manchmal könnte ich sie auf den Mond schießen. Jetzt gerade zum Beispiel.«
Ich nickte, peinlich berührt. Dann schwiegen wir, und ich warf meiner Mutter einen genervten Blick zu. Leider war sie wie alle Mütter dagegen immun und ließ sich dadurch keineswegs aus dem Raum jagen.
Sosehr sich meine Mutter auch den Anschein gab, schwer beschäftigt und komplett in ihre Arbeit versunken zu sein, so deutlich konnte ich ihre Salatohren erkennen, die immer größer wurden, um selbst das leiseste Flüstern aufnehmen zu können.
Mamma fuhr herum. »Was ist? Hat es euch die Sprache verschlagen?«
»Wir wollten eigentlich gerade etwas besprechen«, sagte Otto charmant wie immer. Dann schenkte er ihr ein Lächeln, das selbst einen Eisberg zum Schmelzen gebracht hätte. »Unter vier Augen«, fügte er noch hinzu.
»Bin schon weg, bin schon weg«, sagte mamma und verschwand tatsächlich, was mich sehr wunderte. Normalerweise räumte sie nie kampflos das Feld – aber was Otto betraf, konnte man bei ihr sowieso nicht von normal sprechen.
Eine Minute später stand sie jedoch schon wieder im Zimmer. »Ich muss nur noch schnell die zwei T-Shirts hier verstauen, dann habt ihr eure Ruhe.« Sie legte eine bedeutungsschwangere Pause ein. »Worum geht’s denn?«
» Ma dai – also echt!«, rief ich.
»Entschuldigung, werte Signorina, dass ich den Mund aufgemacht habe.« Mir gegenüber schlug sie einen anderen Ton an. Familienbedingt, vermutete ich. Verschnupft wandte sie sich zur Tür, nicht ohne uns noch ein schnippisches »Viel Spaß dann« vor die Füße zu werfen.
Otto bewies mal wieder sein Herz für pathologisch neugierige italienische Mütter und sagte gut
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