Spaghetti in flagranti
absagen und behaupten, er hätte inzwischen was anderes gefunden. Dann seid ihr beide aus dem Schneider, du und zio Maurizio«, schlug ich vor.
»Von wegen! Wenn Otto nicht an dem Gespräch teilnimmt, stehe ich erst recht blöd da. Das geht auf gar keinen Fall!« Babbo war außer sich.
»Was geht auf gar keinen Fall?« Mamma kam herein, einen so hohen Stapel Tischwäsche in den Armen, dass gerade mal ihre Stirn und ihr dunkler Haarschopf zu sehen waren. Sie legte die Damasttücher auf dem Küchentresen ab und setzte sich zu uns an den Tisch. »Also, raus mit der Sprache, was ist hier los? Ich kann die dicke Luft, die hier drin herrscht, ja förmlich riechen.«
Zum Glück schaffte meine Mutter es, die Temperatur in der Küche wieder auf angenehme zwanzig Grad zu senken, und brachte babbo so weit zur Räson, dass wir einen Kompromiss fanden. Otto würde zwar zu dem Vorstellungsgespräch mit dem Firmenboss hingehen, das Praktikum jedoch ausschlagen. Damit würde zio Maurizio sich zunächst im Vorteil wähnen, hätte hinterher aber mit der viel härteren Niederlage zu kämpfen.
Meine Mutter war von der Fehde, die ihr geliebter Göttergatte da gegen den Mann seiner Schwester führte, alles andere als begeistert, aber sie hätte es nie gewagt, meinem Vater in diesem Punkt zu widersprechen. Mir war es ehrlich gesagt egal, ich wollte nur nicht, dass mein Freund zwischen irgendwelche Fronten geriet. Otto hingegen war völlig konsterniert und nach eigenem Bekunden nicht gewillt, hier irgendwem irgendwelche Lügen aufzutischen.
Dennoch war er erst mal heilfroh, dass die Auseinandersetzung mit meinem Vater im letzten Moment glimpflich ausgegangen war. Den Rest würde ich ihm dann schon beibringen. Irgendwie.
Als ich ihn am Abend zur Pensione Anna begleitete, bedankte er sich noch mal mit einem dicken Kuss für meine Unterstützung und meinte: »Ich dachte immer, du übertreibst. Aber da habe ich mich mal ganz schön getäuscht. Ich glaube, wir Deutschen ticken in der Beziehung total anders.«
Inzwischen war ich sogar in der Lage, darüber zu lachen. »Mein Vater ist eben ein ganz besonderes Exemplar. Tja, du kannst jedenfalls nicht behaupten, dass ich dich nicht gewarnt hätte. Nächstes Mal glaubst du mir besser.«
Er hob die rechte Hand zum Schwur. »Versprochen, und zwar hoch und heilig.«
Auf dem Nachhauseweg beschlich mich zum ersten Mal, seit ich mit Otto zusammen war, ein mulmiges Gefühl. Ich war sehr glücklich mit ihm, aber was, wenn wir doch nicht zueinanderpassten, weil wir einfach zu verschieden waren? Ich schüttelte den Kopf, als könnte ich den Gedanken dadurch loswerden. »Ach was«, murmelte ich, »wir passen perfekt zusammen und lassen uns durch nichts und niemanden trennen. Schon gar nicht durch babbo und seine Marotten.«
Spontan versuchte ich es noch einmal bei Vale, und diesmal ging sie sofort ans Telefon. Wir hatten einander sehr vermisst, und bereits nach zwei Minuten war unser Konflikt ohne viele Worte beigelegt. Danach quatschten wir ganze zweieinhalb Stunden, um uns gegenseitig auf den aktuellen Stand zu bringen. Als wir auflegten, wünschte sie mir noch viel Glück für den concorso und versprach, mir beide Daumen zu drücken.
Am übernächsten Morgen machten Otto und ich uns gleich nach dem Frühstück auf den Weg nach Cesena. Wir hatten es tatsächlich so arrangieren können, dass Ottos Vorstellungsgespräch am selben Tag stattfand wie mein concorso , sodass wir zusammen hinfahren konnten.
Als wir endlich mit gefühlten fünfhundert Ratschlägen von meiner Mutter im Gepäck in babbos Auto saßen, war die Grundstimmung leicht gereizt. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass meine mamma mit ihrer – untertrieben formuliert – überfürsorglichen Art und dem sanften Zwang, den sie auf alles und jeden in ihrer Umwelt ausübte, auch Otto auf die Nerven ging. Zwar sagte er wie immer keinen Ton dazu, aber seine Anspannung war deutlich zu spüren.
Damit unser Schweigen den Wagen nicht komplett ausfüllte, was ich nicht ertragen hätte, stellte ich das Radio an und drehte ordentlich auf. Otto versuchte ganze zwei Mal, die Musik leiser zu stellen, doch nachdem ich den Regler zum dritten Mal wieder bis zum Anschlag nach rechts gedreht hatte, gab er auf und betrachtete die Landschaft.
Wir waren noch etwa fünf Kilometer von Cesena entfernt, als wir an eine Baustelle kamen. Die Fahrbahn wurde geteilt, zwei Spuren gingen geradeaus, die linke wurde durch eine Lücke in der Leitplanke auf die
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