Spaghetti in flagranti
sitzen, und auch er bemerkte mich sofort. Mit einem breiten Grinsen lief ich auf ihn zu, da streckte er mir den erhobenen Daumen entgegen. Mit Schwung drückte ich die Glastür auf und warf mich in Ottos Arme.
»Bei mir ist es super gelaufen«, sagte ich statt einer Begrüßung. »Was ist mit dir?«
»Bei mir auch. Manchmal habe ich eben mehr Glück als Verstand«, meinte er nur.
»Wie jetzt?«
Otto trank erst den letzten Schluck seines caffè macchiato , ehe er antwortete, und spannte mich damit unfreiwillig auf die Folter. »Mein Chef aus Deutschland hat mich auf dem Handy angerufen, unmittelbar vor dem Vorstellungsgespräch. Er hat da was für mich arrangiert.« Bei dem letzten Wort des Satzes hob er vielsagend die Augenbrauen. »Wenn ich will, kann ich am fünfzehnten Mai in Sant’Arcangelo bei einem Partnerunternehmen von uns anfangen. Und stell dir vor, er zahlt mir sogar ein kleines Gehalt, wenn ich dort an einem bestimmten Problem für ihn forsche. Ist das nicht toll? Damit müsste ich nicht mal meine Doktorarbeit auf Eis legen.«
»Das ist nicht toll, sondern fan-tas-ti-co !«, rief ich so laut, dass der Barkeeper neugierig zu uns herübersah.
Wieder zu Hause, fielen uns nonna und mamma abwechselnd um den Hals, so sehr freuten sie sich mit uns, und die Zwillinge vollführten einen Freudentanz in drei Akten, als sie mitbekamen, dass Otto für längere Zeit hierbleiben würde. Babbo war immerhin zufrieden, dass Otto nun tatsächlich aus gutem Grund absagen musste und er sein Gesicht wahren konnte.
»Na, dann ist ja alles in bester Ordnung, und wir können in Ruhe und Frieden Ostern feiern«, sagte nonna .
Ich musste ihr recht geben, so sehr hatte ich mich schon lange nicht mehr auf die Feiertage gefreut.
7.
»Einen schönen Mann hat man eben nie für sich allein«, sagte Vale mit leicht spöttischem Unterton in der Stimme.
»Vielen Dank auch, jetzt geht’s mir schon viel besser!« Ich war kurz davor, einfach aufzulegen, immerhin hatte ich mir von meiner besten Freundin Zuspruch erhofft und keinen Hohn. Aber für meine Tätigkeit als Trostspenderin in Sachen Giorgio durfte ich offenbar keine Gegenleistung erwarten.
Otto hatte sich mal wieder von meiner geliebten nonna in Beschlag nehmen lassen, kaum dass er eine halbe Stunde zu Besuch war. Dabei hatten wir uns seit der Fahrt nach Cesena nicht mehr gesehen, und das war inzwischen ganze neunundvierzig Stunden her. Ich hatte mich so auf sein Kommen gefreut, denn wir hatten sozusagen sturmfreie Bude. Die Zwillinge waren auf einer Geburtstagsparty, konnten also nicht stören, und meine Eltern waren auf dem Friedhof, damit die Gräber an Ostern auch ja ordentlich aussahen . Es hätte alles so schön sein können, wenn nonna nicht dazwischengefunkt hätte. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal auf eine über Siebzigjährige eifersüchtig sein könnte, noch dazu auf meine eigene Großmutter.
Vale schlug sofort einen versöhnlicheren Ton an. »Jetzt entspann dich. Lass ihn doch und freu dich stattdessen, dass deine Familie deinen deutschen Freund so sehr mag.« Das Wörtchen »deutschen« sprach sie dabei ganz besonders gedehnt aus.
Ich seufzte. »Du meinst wohl, dass die Frauen in meiner Familie Otto mögen. Babbo würde ihn glaub ich eher heute als morgen zu den Weltmeistern im Mülltrennen zurückschicken.«
»Du kennst doch deinen Vater, dem wird kein Typ je gut genug sein für seine Töchter. Und was Otto angeht: Setz halt deinen südländischen Charme ein, um den Kochkünstler aus der Küche deiner nonna loszueisen. Oder ist dir der etwa in dem Jahr in München abhandengekommen?«
»Von wegen, Otto wird sich noch wundern.«
»Wieso werde ich mich noch wundern?«, ertönte da eine mir wohlbekannte Stimme von der Tür.
Ich schrak zusammen. »Vale, ich ruf dich später noch mal an. Ciao, ciao«, sagte ich nur und legte auf.
Otto stand im Türrahmen zu meinem Zimmer, die Hände in die Hüften gestemmt, und sah mich neugierig an. Offenbar wartete er tatsächlich auf eine Erklärung. Dabei hätte er längst wissen müssen, dass italienische Frauen grundsätzlich keine Rechenschaft ablegen. Ich beschloss, Vales Tipp in die Tat umzusetzen und eine Charmeoffensive zu starten. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung.
Auffordernd klopfte ich neben mir auf die Bettdecke. »Komm mal her, schöner Mann. Ich muss dir was ins Ohr flüstern.«
Tatsächlich setzte er sich zu mir und gab mir einen Kuss. Doch eine Sekunde später war er auch schon wieder
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