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Spaghetti in flagranti

Spaghetti in flagranti

Titel: Spaghetti in flagranti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Troni
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aufgesprungen und sagte: »Deine Oma braucht dringend fünfhundert Gramm Ricotta für die Tortellini-Füllung. Ich hab ihr versprochen, dass wir ihn gleich kaufen gehen. Ist doch in Ordnung, oder?«
    Dass er über seiner Frischkäse-Mission glatt vergaß, noch mal nachzufragen, was ich da am Telefon zu Vale gesagt hatte, war mir nur recht. Ich stand auf, schlüpfte in meine Schuhe, zupfte noch mal in dem Vogelnest auf meinem Kopf herum und war startklar.
    Amüsiert sah ich zu, wie Otto nach seinem in dezentem Knallorange gehaltenen Hightech-Rucksack griff und ihn sich über die linke Schulter warf. Ohne dieses Design-Wunder mit Rundprofilrahmen aus dauerelastischem Federstahl, zig Lageverstellriemen, Belüftungsnetz und beweglichem Hüftgurt aus Bilaminatschaum mit PE -Versteifung für flexibles Trageverhalten und Bewegungsfreiheit, selbstverständlich alles bei optimalem Sitz und bester Belüftung, war er schon in München so gut wie nie aus dem Haus gegangen.
    »He, wir sollen fünfhundert Gramm Ricotta besorgen und sind nicht auf dem Weg zu einer Mount-Everest-Expedition«, neckte ich ihn.
    »Wer weiß, vielleicht bekommst du ja zwischendurch einen Shoppinganfall und bist am Ende froh, wenn ich den Kram nach Hause schleppe?«, erwiderte er prompt.
    »Einen Shoppinganfall? Im Supermarkt?«, sagte ich mit hochgezogenen Augenbrauen, gab mich dann aber geschlagen und ging voraus zum Aufzug. Wie die letzten Male auch schon lief Otto an mir vorbei und stürmte die Treppe hinunter, wobei er immer zwei Stufen auf einmal nahm. Selbst daraus musste er einen Sport machen, echt unglaublich!
    »Wir sehen uns dann unten«, rief ich ihm nach und ließ mich nicht hetzen.
    Auf dem Weg zum Supermarkt kam ich dann doch ein bisschen ins Schwitzen, weil Otto mit seinen langen Beinen ein Tempo vorlegte, als wäre er auf der Flucht, und ich in meinen hochhackigen Riemchenpumps kaum hinterherkam. Zum Glück wusste er nach der nächsten Straßenecke nicht mehr, wo es langging, und musste auf mich warten. Ich hätte ganz sicher nichts dagegen gehabt, mit ihm Arm in Arm gemütlich durch die Gassen der Altstadt zu schlendern, statt im Stechschritt loszustürmen, aber da war irgendwie nichts zu wollen. Zum einen machte die Hightech-Ausrüstung jede Umarmung unmöglich, zum anderen war Otto für romantische Gesten in der Öffentlichkeit nicht sehr empfänglich, wie ich zu meinem Leidwesen inzwischen festgestellt hatte. Egal, die fünfhundert Meter konnte ich auch mal so neben ihm herlaufen.
    Im Supermarkt war die Hölle los. Einen Tag vor Ostern rannten alle wie vom wilden Affen gebissen durch die schmalen Gänge und zwängten sich an den mannshohen Stapeln mit colombe vorbei, den typischen Osterkuchen in Form einer Friedenstaube aus Hefeteig mit kandierten Früchten, die es inzwischen in allen erdenklichen Varianten gab. Daneben waren Ostereier in allen Größen und Farben aufgebaut. Die Hersteller übertrafen sich förmlich mit den kleinen Geschenken, die im Innern der Schokohülle verborgen waren, und die schreiend bunten Werbetafeln mit Spielzeugautos, Prinzessinnen-Haarreifen, scheußlichem Billigschmuck und dergleichen hingen dicht an dicht von der Decke.
    »Was sind das denn für Riesentrümmer?« Fasziniert betrachtete Otto die gigantischen Eier, die durch die aufwendigen Ziehharmonikaschleifen aus bunt bedrucktem Stanniolpapier doppelt so groß wirkten. »An denen isst man ja bis Weihnachten.«
    »Na ja«, ich zog eine Schnute, »das kommt ganz darauf an. Im Extremfall halten sie nicht mal bis Ostermontag. Bei mir jedenfalls …«
    Otto ging nicht weiter auf meine Bemerkung ein, so fasziniert war er von dem Sortiment. »Was ist mit Osterhasen? Wieso gibt’s hier keine Hasen? Und kleine Schokoeier sehe ich auch keine«, sagte er sichtlich verwirrt. »Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mir von meiner Mutter ein Care-Paket mit Krokanteiern schicken lassen. Ohne die ist Ostern kein richtiges Ostern.« Der melancholische Seufzer ließ auf recht heftige Entzugserscheinungen schließen.
    Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange, um den schlimmsten Schmerz zu lindern, und schubste ihn in Richtung Käsetheke. »Komm, reiß dich los. Nonna wartet.«
    Leicht widerwillig wandte er sich zum Gehen, griff aber im Umdrehen mit Schwung nach einem der lilafarbenen Kartons mit den colombe .
    »Für deine Mama«, sagte er auf meinen fragenden Blick hin.
    Erst wollte ich protestieren und die Schachtel auf den Stapel zurückstellen, aber dann

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