Spaghetti in flagranti
drückte mich. »Dein Vater wird schon merken, was Otto für ein feiner Mensch ist«, meinte sie. »Du musst ihm bloß ein bisschen Zeit lassen. Schließlich bist du sein Augapfel.«
Ihre Worte taten mir gut. »Ach, ein anderer wäre ihm vermutlich genauso wenig recht. Dass Otto Deutscher ist, liefert ihm nur einen dankbaren Anlass zum Stänkern.«
»In dem Punkt könntest du sogar recht haben«, sagte mamma schmunzelnd.
Da klingelte es auch schon, und ich sprintete die Treppe nach unten, um Otto noch schnell letzte Instruktionen zu geben, ehe meine Eltern startklar waren.
Am Ende hatte ich mir umsonst Sorgen gemacht. Da ich Otto wohlweislich vorher eingeschärft hatte, mit meinem Vater nicht über Politik zu diskutieren, schon gar nicht über Berlusconi und seine Prozessverschleppung und noch weniger über Roberto Saviano und seine Mafia-Pamphlete, verlief der Tag ausgesprochen friedlich. Zum Glück hatte Otto eingesehen, dass ein gestandener italienischer Familienpatriarch sich nur ungern von anderen die Welt erklären ließ. Erst recht nicht von einem Deutschen.
Das Essen bei Giusi und Maurizio war ein gelungener Abschluss. Mein Onkel fragte Otto Löcher in den Bauch, was sein Praktikum anging, während babbo meiner Tante in epischer Breite von unserem tollen Ausflug erzählte. Nur ein einziges Mal driftete das Tischgespräch in eine kritische Region ab, als der werte Herr Gruber sich bemüßigt fühlte, über die Rolle der modernen Frau zu referieren. Ernsthaft in Gefahr geriet der Familienfrieden jedoch nicht, weil mamma geistesgegenwärtig aufsprang, bleierne Müdigkeit samt Kopfschmerzen vortäuschte und zum Aufbruch blies. Ich war ihr sehr dankbar, dass sie es mir ersparte, mich für meinen Freund fremdschämen zu müssen.
Als wir eineinhalb Stunden später mit dem Punto bei uns vor der Haustür vorfuhren, waren alle glücklich und zufrieden. Ich am allermeisten.
Nicht mal die Tatsache, dass der sorgfältig aus meinem Hirn verdrängte Gianmarco mir mehrere SMS geschrieben hatte und mich um ein Treffen bat, konnte mir den Tag verderben. Mein Vater und Otto hatten einen entscheidenden Schritt aufeinander zu gemacht, das allein zählte. Die in meinen Augen größte aller Katastrophen, der drohende Kleinkrieg mit meinem Vater wegen meines Freundes, war für mich damit abgewendet.
Wer hätte auch ahnen können, dass Katastrophen von ganz anderem Ausmaß auf uns warteten?
Zunächst einmal schien jedoch alles in bester Ordnung. Otto war glücklich mit seinem Praktikum und fuhr die fünfundzwanzig Kilometer von seiner Wohnung bis nach Sant’Arcangelo täglich mit dem Rad. Wirklich schade, dass er dabei nicht auch ein paar von meinen Kalorien verbrauchen konnte. Wir verbrachten jede freie Minute miteinander, gingen viel an den Strand, machten Ausflüge nach Coriano und andere Ziele in der näheren Umgebung.
Die Zwillinge waren so nervig wie eh und je, aber immerhin hatte Otto mit Laura einen Deal ausgehandelt und ihr versprochen, sich um eine dritte Karte für das Linkin-Park-Konzert zu kümmern. Ihm gegenüber gab sie sich absolut handzahm und steckte ihre Erpressungspläne wohl erst mal zurück in die Schublade. Was jedoch nicht hieß, dass das kleine Miststück sie bei der erstbesten Gelegenheit nicht wieder hervorholte.
Nonna und mamma verwöhnten Otto mit Essen, wann immer sie ihn in die Fänge bekamen, und selbst babbo schien sich allmählich an ihn zu gewöhnen. Er war nicht mehr ganz so misstrauisch, verzichtete auf despektierliche Bemerkungen und regte sich nicht mal auf, als wir übers Wochenende nach Bologna fuhren, wo wir eine Nacht im Hotel verbrachten. Wunder soll es ja bekanntlich immer wieder geben.
Gianmarco trug es mit Fassung, dass ich ihn weiterhin hartnäckig vertröstete, was jedoch nicht hieß, dass er aufgab. Erst dachte ich, dass sich zwischen ihm und Vale etwas anbahnen könnte, womit sich gleich mehrere meiner Probleme auf einmal in Luft aufgelöst hätten, aber die beiden schienen sich einfach nur gut zu verstehen. Sogar Otto hatte Gianmarco inzwischen kennengelernt, bei einem unserer Discoabende mit der ganzen Clique. Ich war auf das Schlimmste gefasst gewesen, doch mein Ex hatte sich nicht das Geringste anmerken lassen, und Otto hatte ihn kaum wahrgenommen. Allerdings hatte Gianmarco uns die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen, und wann immer er meinen Blick aufgefangen hatte, hatte er wissend gelächelt, als wollte er mir sagen: Ich kann warten, bella . Mein großer
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