Spaghetti in flagranti
wie die Tatsache, dass ich mich erneut fragte, ob Otto und ich vielleicht doch nicht zusammenpassten. Das längst vergessene ungute Gefühl in der Magengegend war auf einmal wieder da und wollte partout nicht weichen. Es war, als wollte der Liebe Gott mir in Bezug auf Otto ein Zeichen geben.
Während ich dastand und die absurde Szene vor mir beobachtete, musste ich wieder an zia Marisa und ihre Prophezeiung denken. Nein, dass meine alte Tante einen Fluch gegen jemanden aussprechen konnte, war nun wirklich mit Abstand der abstruseste Gedanke, den ich in den letzten Monaten gehabt hatte. Obwohl …
Nicht ganz fünf Meter von mir entfernt war mein Freund Otto Gruber nämlich unter Aufsicht und Anleitung von zio Gaetano damit beschäftigt, das Flirten zu üben. Am lebenden Objekt wohlgemerkt! Ich kochte.
Gerade hatten die beiden eine für Otto viel zu attraktive, gefärbte Blondine im Visier. Noch hatte er sie nicht angesprochen, sondern lauschte gebannt den Worten meines Onkels, der ihn gestenreich und nicht gerade unauffällig unterwies. Dass die anderen Gäste das junge Mädchen noch nicht auf die beiden aufmerksam gemacht hatten, grenzte an ein Wunder.
Ich hätte einiges dafür gegeben, wenn ich hätte hören können, was der »altersschwache Gigolo«, wie Vale ihren hartnäckigsten Verehrer gerne bezeichnete, da von sich gab. Immerhin war ich ihr sehr dankbar, dass sie mich prompt angerufen und herbestellt hatte, nachdem sie die beiden entdeckt hatte. Sie hatte sich nach der Arbeit mit ihrer Kollegin Alessandra auf einen aperitivo hier im Babalu verabredet und hatte gerade allein am Tisch gesessen, als mein Onkel mitsamt meinem Freund hereingekommen war und sich die beiden direkt vor ihrer Nase auf der Terrasse niedergelassen hatten. Sie hatten Vale, die sich sogleich über ihr telefonino gebeugt hatte, nicht bemerkt, dafür hatte sie umso besser hingehört, was die Männer da zu bereden hatten. Noch während ihre Kollegin auf der Toilette war, hatte Vale mich angefunkt und informiert.
Sie hatte sich kurz darauf unter einem Vorwand von Alessandra verabschiedet und in der Seitenstraße hinter dem Lokal auf mich gewartet. Gemeinsam hatten wir uns von der benachbarten Strandzone aus angepirscht, dankbar für den kaputten Strahler, der dafür sorgte, dass der Strandabschnitt direkt vor der Bar in tiefe Dunkelheit getaucht war.
»Wir müssen irgendwie näher ran«, sagte ich und wackelte mit den Zehen, weil mein linkes Bein eingeschlafen war.
»Wie denn?« Vale beugte sich nach vorn, damit sie das Geschehen besser im Blick hatte. »Dann sehen sie uns doch sofort.«
Ich zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Lass dir was einfallen. Du hast mich hergerufen.«
»Hättest du etwa lieber dumm sterben wollen?« Sie schnaubte. »Dir soll nicht das Gleiche passieren wie mir mit Giorgio. Diese Typen sind doch alle gleich, alles miese Schweine.«
Vor knapp fünfundvierzig Minuten hätte ich ihr da noch vehement widersprochen, aber seit ich mit eigenen Augen verfolgte, was Otto und mein Onkel da trieben, musste ich ihr recht geben. Ich zwickte mich kurz in den Arm, um mich zu vergewissern, dass ich nicht träumte.
»Wie kommt mein Onkel bloß auf so eine bescheuerte Idee? Die beiden wollten doch zum Kartenspielen.« Und ich Schaf war auch noch froh gewesen, dass zio Gaetano sich der Verfügung meines Vaters widersetzte und den Kontakt zu Otto nicht abgebrochen hatte. Ich hatte den beiden geglaubt und seelenruhig zu Hause mit nonna und meiner Mutter ciambella gebacken. Klischeehafter ging’s ja wohl nicht: die Frau zu Hause am Herd beim Kuchenteigrühren, während der Mann auf die Jagd nach Frischfleisch ging.
»Da, er pirscht sich an«, sagte Vale und holte mich wieder an den Ort des grausamen Geschehens zurück.
Tatsächlich, Otto näherte sich von schräg hinten der Blondine, gecoacht von meinem Onkel, der ihm unmissverständliche Handzeichen gab. Dem würde ich bei nächster Gelegenheit die Herzpillen verstecken! Für Ottos Verhalten fehlten mir sowieso die Worte. Da hatte ich ihn vor einer knappen Woche noch mit Klauen und Zähnen gegen meinen Vater verteidigt, und das sollte der Dank sein?
»Den kauf ich mir«, zischte ich und wollte lospreschen.
Vale erwischte mich am Ärmel meiner Bluse. »Nicht doch. Du kannst da jetzt nicht hin und ihm eine Szene machen. Wie stehst du denn dann da? Wer predigt mir denn seit Jahren ständig Contenance?«
»Scheiß auf die gottverdammte Contenance!«, fluchte ich nicht mehr
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