Spaghetti in flagranti
und auf den nächsten Morgen warteten.
»Echt Wahnsinn, wie schnell und viel ihr reden könnt«, meinte er. »Das hatte ich in den paar Wochen daheim glatt schon wieder vergessen.«
»Solange du mich nicht vergessen hast, ist ja alles gut«, erwiderte ich und forschte in seinen Augen nach der Antwort.
»Niemals«, sagte er und streichelte mir die Wange.
Leider war es zu dunkel, so dass ich mich auf seine Worte verlassen musste. Ich hatte inzwischen den Kopf in seinen Schoß gelegt und genoss einfach nur seine Nähe. In dem Moment war alles andere unendlich weit weg. Auch Gianmarco.
Als ich gegen halb zwölf liebestrunken nach Hause kam, war mir mein Exfreund dafür umso präsenter. Mamma , die im Wohnzimmer auf mich gewartet hatte, empfing mich nämlich mit einer Hiobsbotschaft.
»Vorhin hat uns ein hübscher junger Mann einen Besuch abgestattet, der nach dir gefragt hat. Er klang ein bisschen unglücklich verliebt und machte sich Sorgen, weil du dich zwei Wochen nicht bei ihm gemeldet hast.« Sie warf mir einen eindringlichen Blick zu. »Bedeutet das, dass ich mir Sorgen machen muss?«
Dieser Trottel, dachte ich nur, dabei hätte ich mich besser selbst als Dumpfbacke bezeichnen sollen. Schließlich hatte ich die anstehende Aussprache mit ihm Tag um Tag aufgeschoben und das Problem verdrängt, obwohl ich genau wusste, dass die Zeitbombe unerbittlich tickte. Gleiches galt für Lauras Erpressungsversuch und mein schwieriges Verhältnis mit Vale. Auch da hatte ich noch immer nichts unternommen, bisher jedoch Glück gehabt. Offenbar hatte ich meine Glückssträhne ein wenig überstrapaziert, und das war nun die Quittung dafür.
Ich wedelte mit der rechten Hand, um Gianmarcos Besuch herunterzuspielen. »Nein, nein, alles in bester Ordnung. Ich rufe ihn morgen an und kläre das.«
Sie seufzte. »Das will ich dir auch geraten haben. Du kannst froh sein, dass dein Vater nach dem Essen zu seinem Bruder gegangen ist und nichts mitbekommen hat. Er hätte dich jetzt garantiert in die Mangel genommen.«
Mir wurde ganz anders bei dem Gedanken, und ich drückte ihr schnell einen Kuss auf die Wange. » Grazie , allerliebste mamma , damit hast du was gut bei mir.«
»Einmal durchwischen und Bad putzen vielleicht?« Sie wusste genau, wie sie mich dranbekommen konnte.
Ich rümpfte die Nase, gab mich aber geschlagen. »Wenn’s sein muss …«
Gianmarco würde ich zum Dank für die Badputzaktion eine besonders rüde Abfuhr erteilen, so viel war klar. An irgendwem musste ich meinen Frust über mein eigenes Fehlverhalten ja auslassen. Den Korb bekam er gleich am nächsten Tag per Telefon, als ich auf dem Weg zur Arbeit war. Nur leider reagierte er zu meiner grenzenlosen Verwunderung kein bisschen geknickt darauf. Er gab sich total cool und meinte nur, es werde sich noch zeigen, wer hier die besseren Karten habe. Die Nachricht, dass ich einen festen Freund hatte, noch dazu einen deutschen, schien seinen Jagdtrieb erst recht anzustacheln. Das roch nach Ärger.
Kaum hatte ich aufgelegt, wählte ich die Nummer von Vale, die sich ausnahmsweise mal sofort meldete.
»Was soll ich denn jetzt machen?«, fragte ich, nachdem ich ihr den Sachverhalt geschildert hatte. Die Verzweiflung in meiner Stimme war nicht zu überhören.
Auf ihre Unterstützung konnte ich diesmal nicht zählen, denn sie meinte nur lapidar: »Na, da hast du dir ja mal eine schöne Grube gegraben« und wollte sich schier totlachen über das tolle Wortspiel mit Ottos Nachnamen.
»Danke für deine Hilfe!«, sagte ich nur und beendete das Gespräch.
Den restlichen Weg bis zur Kochschule arbeitete mein Gehirn auf Hochtouren, doch egal, wie ich die Sache auslegte, ich kam immer zu demselben Ergebnis: Ich musste Otto reinen Wein einschenken und mir Gianmarco tunlichst vom Leib halten. Riccione war übers Jahr mit knapp sechshunderttausend Touristen zwar gut besucht, aber es blieb klein, daher waren die Chancen, dass die beiden sich begegneten, alles andere als gering.
Als Otto am Abend mit seinem Fahrrad wieder auf mich wartete, ohne dass wir verabredet waren oder ich ihm gesagt hatte, wann ich Schluss machte, waren Gianmarco und mein guter Vorsatz längst vergessen. Natürlich sagte ich nichts.
»He, schöner Mann«, begrüßte ich ihn. »Stehst du schon länger hier?«
»Geht so«, sagte er und küsste mich ausgiebig, bis ich mich von ihm losmachte. Man konnte ja nie wissen, wer hier so alles herumschlich. »Ich habe mir die Zeit mit einem Eis und der Gazetta
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