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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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anderen Menschen zusammenleben möchte«, platze ich heraus, »ganz davon abgesehen, mit einem verheiratet zu sein!«
    »Es scheint mir das Beste, wenn du dich auf dich selbst konzentrierst. Ich würde an deiner Stelle versuchen, die Art von Träumen zu verwirklichen, die dein allein verbrachtes Jahr in dir ausgelöst hat, bevor du dich zu fragen beginnst, ob du verheiratet sein willst oder nicht.«
    »Du kannst leicht reden«, murmele ich.
    »Vor langer Zeit, als ich meine eigene Stärke in den Griff bekommen und mir darüber klar werden mußte, was aus mir werden sollte, habe ich zu weben angefangen. Obwohl mein Mann die Stadien des Lebens mit kleinen Kästchen und Grafiken beschrieben hatte, fiel es mir immer schwer, ihre Bedeutung zu kapieren. Ich war mit einem Mann verheiratet, dem es gelungen war, eine Erklärung für die Identität und das Selbst zu finden, und sogar er, oder vielleicht gerade er, konnte mir nicht dabei helfen, es für mich selbst herauszufinden. Ich hatte mir das Selbst immer als ein vielfarbiges Gewebe vorgestellt, bei dem jeder Faden für die Integrität des Ganzen wichtig ist. Je mehr ich mit meiner eigenen Krise kämpfte, desto mehr erkannte ich, daß ich etwas tun mußte. Also webte ich meinen Lebenszyklus auf einem Webrahmen. Das könnte etwas sein, was wir zusammen machen können. Was hältst du davon?«
    »Ich weiß nicht, ob ich das verstehe.«
    »Du hast eine Art Identitätskrise, stimmt’s? Und die Rückkehr deines Mannes setzt dich noch mehr unter Druck herauszufinden, wer du bist und wo du stehst. Richtig?«
    »Richtig.«
    »Tja, ich verabscheue predigende Menschen, besonders wenn sie versuchen, durch ihre Worte weise zu erscheinen, und zwischen |63| uns herrscht ein großer Altersunterschied, aber ich glaube, mein Webprojekt könnte dir helfen«, sagt sie und klingt mehr als entschlossen.
    »Wie das?« frage ich vorsichtig, möchte das wenige schützen, was noch von meiner Unabhängigkeit übrig ist, und ihr Plan klingt zeitaufwendig.
    »Deine Lebensphasen zu weben, Liebes, wird dir helfen, endlich all die Stärken zu erkennen, die du besitzt. Es ist wichtig, seine Stärken zu kennen, damit du dich auf deine Wahrheit stützen, an deinen Problemen arbeiten und schließlich jemand werden kannst, der sich selbst fördert. Reicht dir das als Erklärung?«
    »Ich bin beeindruckt«, sage ich.
    »Hör zu. Ich schätze, du hast seit Jahren deinen Horizont erweitert und dich weiterentwickelt, warst aber nicht in der Lage, das alles zu verdauen. Etwas mit den Händen zu machen, statt nur mit dem Kopf, ist oft die beste Möglichkeit, Klarheit zu gewinnen. Wenn du dein Leben zusammenwebst, wirst du erkennen, wie jedes Stadium dazu beigetragen hat, aus dir die ganz einzigartige Frau zu machen, die du geworden bist. Außerdem sind wir es uns schuldig, immer etwas aus nichts zu schaffen. Es zeugt von Schwäche, einfach nur dazusitzen und darauf zu warten, daß das Leben zu einem kommt. Ergibt das für dich einen Sinn?«
    »In etwa«, erwidere ich zaghaft.
    »Also, wie ist es? Ich würde gerne wieder meine Finger über einen Webrahmen gleiten lassen, und es würde Spaß machen, das mit dir zusammen zu tun.«
    »Kann ich dich zurückrufen?« weiche ich aus.
    »Natürlich, Liebes. Ich bin ja hier.«
    Und damit lege ich auf, wobei ich genau weiß, daß mein Kalender vollkommen leer ist. Warum zögere ich? Zum einen bin ich handwerklich nicht sonderlich geschickt, habe noch nicht mal den Schal fertiggestrickt, den ich vor fünf Jahren begonnen |64| habe. Und wie soll es mir gelingen, mein Leben in Fäden zu erkennen? Aber mal ehrlich, was soll ich sonst mit meiner Zeit anfangen, herumwandern und hoffen, daß die Antworten aus heiterem Himmel kommen? Zumindest bietet das Weben einen Fokus. Außerdem, meine Gespräche mit Joan haben bisher noch immer meinen Horizont erweitert und mich belebt. Eine so kluge Frau abzuweisen – eine, die ja nun wirklich intensiv über alles nachgedacht hat   –, wäre fast so lächerlich, wie Klavierstunden bei Mozart abzulehnen! Letztlich gewinnt die Aussicht, etwas Konstruktives zu tun, die Oberhand, und ich rufe Joan zurück. »Also, wann fangen wir an?«
    »Du machst mit? Oh, prima. Ich brauche ein paar Tage, um alles zu besorgen«, sagt sie, denkt laut nach. »Wir wär’s mit Donnerstag?«
    »Klingt gut. Bis dann.«
     
    Fünf Tage später, an einem äußerst schwülen Sommernachmittag, erscheint Joan singend vor meiner Haustür. »Hier kommt die Lehrerin...

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