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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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zugänglich und hilfreich sein zu müssen. Anscheinend wirkt sich Veränderung auf Männer viel stärker aus als auf Frauen.«
    »Die armen Seelen. Ihre Identität ist so sehr mit ihrem Beruf verbunden. Ohne den sind sie verloren. Männer verlangen so sonderbare Dinge von sich. Sie denken, es sei notwendig, sich in einer bestimmten Art zu verhalten, statt einfach nur sie selbst zu sein.«
    »Allerdings. Aber ich habe schließlich erkannt, daß ich ihm wirklich nicht helfen kann, sein Leben neu zu erfinden. Das habe ich durch das Weben gelernt. Jeder von uns muß seine eigenen Stärken erkennen und in den Griff bekommen. Vielleicht könntest du Robin ein paar Eriksonsche Einsichten vermitteln.«
    »Das könnte Spaß machen. Ich finde ihn wirklich toll, weißt du.«
    »Ach, das sagst du nur, weil er dich zum Tanzen aufgefordert hat.«
    |89| »Na ja, das könnte eine Rolle spielen, aber wirklich, ich meine es ernst... er ist was Besonderes.«
    »Inwiefern?«
    »Ich mag es, wie er sich an unseren Gesprächen beteiligt. Er ist ganz da und begierig darauf, Neues zu erfahren.«
    »Hm. Wenn ich es recht bedenke, ist er in deiner Gegenwart immer spontan.«
    »Vielleicht weiß er tatsächlich, auf was er sich eingelassen hat. Jedenfalls glaube ich, daß er beständig ist.«
    Ich merke, wie ich hoffe, daß sie recht hat.
    »Aber da passiert noch mehr. Was ist mir entgangen? Was bedeutet dieser nachdenkliche Blick, den ich in deinen Augen sehe?«
    »Ich glaube, ich mache mir Sorgen wegen der Liebe. Ich empfinde keine. Oh, wir kommen gut miteinander aus, aber wir sind eher Mitbewohner als Mann und Frau.«
    »Es geht um das Tempo, Liebes. Ihr wart beide im Winterschlaf – da könnt ihr nicht einfach aus euren Höhlen kriechen, ohne euch ein wenig Zeit mit dem Aufwachen zu lassen, euch an das Licht zu gewöhnen und etwas in den Magen zu bekommen.«
    »Es ist mehr als das. Meine Webarbeit verfolgt mich – ich muß sie immer anschauen, wie sie da über meinem Schreibtisch hängt, und merke, daß im fünften Stadium ein großes Loch ist. Ich habe mir nie die Mühe gemacht, mich wirklich zu entwickeln – habe mich selbst übergangen, um Liebe zu finden. Schlimmer noch, ich scheine mich im Moment zu wiederholen, während wir die Ehe neu beleben. Das ist beängstigend.« Meine Gedanken purzeln einer nach dem anderen in wirrer Folge heraus, bis ich nach meinem Webrahmen greife und an dem Regenbogen verwobener Farben herumzupfe wie ein Tennisspieler, der die Spannung seines Schlägers überprüft.
    »Aber siehst du denn nicht«, sagt sie schließlich, holt das rote Garn aus dem Korb und schneidet uns rasch ein paar Längen |90| ab, »daß es in deinem allein verbrachten Jahr genau darum geht, Liebes? Du wußtest instinktiv, daß du Zeit brauchtest, um zu dieser Person aus Rohmaterial zurückzukehren – deine Worte, nicht meine   –, und du hast das verdammt gut gemacht. Du bist zum fünften Stadium zurückgegangen. In dieser Beziehung gibt es einen völlig neuen Menschen – dich!«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob mein Mann das genauso sieht. Er ist wieder eingezogen, und anscheinend meint er, unser zukünftiges gemeinsames Leben würde einfach weiterlaufen wie bisher. Ihn dazu zu bringen, unser Leben anders zu betrachten, wird nicht leicht sein. Daß ich in die vertrauten Muster zurückfalle, kannst du schon daran sehen, wie sehr ich unsere gemeinsamen Unternehmungen eingeschränkt habe.«
    »Daß du dich wie vorher verhältst, ist unvermeidlich«, sagt sie und klingt dabei entmutigend, was mich erschreckt. »Aber gehe diesmal besonnener vor. Wähl selber aus, was du zu Hause gern machst und was du ihm überlassen kannst. Schließlich ist er ein ganzes Jahr lang allein zurechtgekommen. Ich bin sicher, daß er durchaus imstande, wenn nicht sogar willens ist, sich unter neuen Bedingungen einzubringen«, sagt sie, um mein Selbstvertrauen zu stärken.
    »Ich hoffe«, antworte ich vorsichtig.
    Ich merke, daß sie nach einer persönlichen Anekdote sucht, um zu beweisen, daß sie recht hat. »Als ich damals viel Lyrik und Prosa geschrieben habe«, beginnt sie, »kaufte ich mir eine Schreibmaschine. Erik hat ziemlich schnell begriffen, daß er sich das zunutze machen konnte. Er gab mir einen Brief zum Tippen, und ich habe das gern für ihn erledigt. Aber am folgenden Tag hat er mir drei oder vier Briefe hingelegt. Nachdem das eine Woche lang so ging, habe ich die Schreibmaschine einfach verschenkt. Das war keine große Sache, aber der Punkt

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