Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau
ist, daß es ihn dazu brachte, die Rolle, die ich in meinem eigenen Leben spiele, zu respektieren, genau so wie ich seine respektierte.«
|91| Ich finde ihre Geschichte seltsam belebend, da ich immer jemand war, der dienen mit lieben verwechselt hat. Ich wische eine Träne weg, hoffe, Joan hat meine geröteten Wangen nicht bemerkt. Wie habe ich nur jemals ein so verqueres Gefühl von Liebe bekommen können – ohne zu begreifen, daß sie auf Gegenseitigkeit basiert? »Ich dachte wirklich, es ginge darum, den Mann zu erfreuen und ihn glücklich zu machen«, gestehe ich.
»Manch eine Frau macht es sich zum Ziel, ihren Mann zu verstehen, bevor sie sich überhaupt selber kennt. Sie betrachtet die Liebe zu ihm als Lösung ihrer Probleme, aber Liebe wird bald zum Mittelpunkt ihres Problems. Statt ihn zu fühlen denkt sie sich ihren Weg durch die Beziehung und sondert sich schließlich von ihrem eigenen Wesen ab. Das ist eine Tragödie«, erklärt sie.
»Trotzdem, genau das habe ich getan. Wenn er glücklich war, dann war ich auch glücklich, einfach nur, weil ich ihn glücklich gemacht hatte.«
»Die Liebe kam zu dir – du bist nicht auf sie zugegangen. Du bist Schwierigkeiten einfach ausgewichen und hast geglaubt, das sei eine Belohnung. Wie schade. Darin lag nicht genug Stärke«, faßt sie zusammen.
»Komisch, daß du mir das sagst«, meine ich. »Eine Therapeutin hat mir mal gesagt, daß man für gute Taten nicht immer belohnt wird.«
»Na ja, ich habe jedenfalls die Ehe stets als eine Zusammenarbeit betrachtet«, fährt sie fort. »Gegenseitigkeit, Wechselseitigkeit, aufeinander bezogen sein sind die Schlüsselelemente des Spiels. Wenn die nicht vorhanden sind, was soll es dann?«
»Hm«, antworte ich, »aber nicht leicht zu erlangen, wenn man nicht so angefangen hat. Wie bist du schließlich auf dieses Konzept gekommen?«
»Ich möchte das Erik zuschreiben, aber eigentlich kam es von uns beiden. Wir waren beide darauf aus, unsere eigene |92| Identität zu finden. Vielleicht lag das an unserer Kindheit – ihn quälte es schrecklich, daß er seinen leiblichen Vater nicht kannte, und ich bekam wenig oder keine Anerkennung von meiner verstörten Mutter. Wir müssen ein tiefes Bedürfnis verspürt haben, uns selbst besser zu kennen, wenn wir je jemand anderen kennenlernen wollten. Das geschah sicher nicht absichtlich, aber jetzt, wo ich es zu erklären versuche, ergibt es einen Sinn, glaube ich.«
»Das tut es sicherlich«, antworte ich, neidisch auf ihr pures Glück oder Karma, und werde plötzlich ganz traurig, daß mein eigenes Selbst gerade erst Form anzunehmen beginnt.
»Schau, Liebes«, sagt sie und betrachtet mich nachdenklich, »am Anfang sind wir alle gefühlsduselig und blauäugig. Das ist die erste, junge Liebe. Diese Gefühle verwandeln sich unweigerlich in funktionale Liebe – wenn man für wenig anderes Zeit hat als für die Kinder zu sorgen und an seinem Arbeitsplatz festzuhalten. Die einzige Möglichkeit, eine Beziehung wieder zu beleben, besteht darin, daß sich beide Partner trennen, entweder tatsächlich oder im übertragenen Sinn, um zu sich selbst zurückzukehren, lang vergessene Talente zu entfalten oder Träume auszuleben und vor allem ihre eigenen Grundlagen zu akzeptieren. Davon haben wir mehr als genug. Dreh deinen Webrahmen um, dann siehst du, was ich meine.« Die Unterseite sieht furchtbar aus – jede Menge Knoten, ungleichmäßige Streifen und lose Enden.
»Der Unterbau zeigt uns, wo wir vom Weg abgekommen sind«, erklärt sie nüchtern. »Ich schau mir all die Knoten an, die ich geknüpft habe, und sage mir, dieser Knoten aus der frühen Kindheit brachte mich zu dem Knoten in der Jugendzeit, und jetzt schau dir an, wie ungleichmäßig die Reihen wurden, bis ich das Problem bewältigt oder die Richtung korrigiert hatte.«
»Okay, okay, ich habe schon verstanden«, antworte ich ungeduldig, bin die metaphorischen Erklärungen jetzt leid. »Aber |93| ich würde lieber meinen Unterbau aus dem Spiel lassen und meinen Blick auf die hübsche Seite gerichtet halten. Mein Mann hat dieselbe Einstellung.«
»Das geht den meisten Menschen so. Doch damit hält man den Prozeß an. Schließlich erstarrt man einfach. Wenn man bereit ist, zurückzugehen und sich die vernachlässigten Träume und die eigenen Schwächen anzuschauen, findet man neue Energie für die Partnerschaft. Man lernt zu respektieren, was einen zu einem Individuum macht, und man lernt die Eigenarten des anderen ebenso zu
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