Spaziergang im Regen
Fehlern, Shara. Und ich bin mir nicht sicher, ob es zu meinem Besten ist, wenn Sie . . . mein wirkliches Ich verstehen, wenn Sie diese Kenntnis dazu verwenden wollen, um meine Fehler Millionen von Fremden gegenüber bloßzustellen.«
Shara überkam ein Gefühl der Zärtlichkeit, und sie legte sanft ihre Hand auf Jessa Arm. »Oh Jessa, wie können Sie das nur denken? Sie haben die Biographie gelesen. Sie ist sehr detailliert, das stimmt, aber sie gibt doch nur vage Hinweise darauf, was für eine Person Sie sind. Was ich Millionen von Menschen zeigen werde, wird nicht mehr sein, als das, was sie auch durch Lesen des Buches hätten in Erfahrung bringen können. Kein Zweifel, einige werden einen Eindruck davon mitnehmen, was für eine Frau Sie sind, aber die meisten werden nur die Ereignisse Ihres Lebens vor zehn Jahren sehen, und das ist mehr als genug. Mit ein bisschen Glück wird es sie berühren, und sie werden danach ein wenig über die Entscheidungen nachdenken, die sie in ihrem eigenen Leben getroffen haben, und über Dinge, die andere ihnen angetan haben. Aber alles, was ich über Sie erfahre, wird mir dabei helfen zu vermeiden, Sie darzustellen, wie Sie nicht sind. Ich will nicht diese Zeit mit Ihnen verbringen, damit ich danach mehr über Sie offenbaren kann, als Sie Ihrem Biographen verraten haben.«
Jessa starrte sie einige Sekunden lang eindringlich an und schien dann zu einem Entschluss zu kommen. Die Anspannung wich sichtbar von ihr, sie nickte geheimnisvoll und wandte den Blick ab. »Also gut. Dagegen habe ich nichts einzuwenden.« Dann stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. »Können Sie kochen?«
Die Frage verblüffte Shara, und sie fragte sich, was das damit zu tun hatte, dass Jessa sie in ihr Leben ließ, nur damit danach ihre intimsten Details über die Leinwand und über unzählige DVDs gebracht werden konnten. »Was? Bohnen auf Toast oder fünfgängige Feinschmeckermenüs«?
»Beides.«
»Hm. Meine Kochkünste übersteigen ersteres, sind aber nicht gut genug für letzteres. Na ja, vielleicht könnte ich letzteres auch hinbekommen, aber ich würde wahrscheinlich pro Gang jeweils nur ein Gericht gut genug kennen, um alles zu schaffen. Warum?«
»Weil ich nicht will, dass Sie über meine Kochkünste jammern, wenn Sie mit mir in Klausur gehen, bevor ich mich auf die Reise mache.«
»Was für eine Klausur?«
»Jedesmal, wenn ich länger als zwei Wochen am Stück verreise, ziehe ich mich vorher ein paar Tage lang zurück – um einen klaren Kopf zu bekommen und mich daran zu erinnern, wer ich bin, verstehen Sie? Ich fahre aufs Land in mein Haus, wo es nur dann Musik gibt, wenn ich sie selbst spiele, auf meinem alten Klavier oder meiner Gitarre, und zu essen gibt es nur das, was ich selbst koche. Es gibt einen Generator für Strom und um die Brunnenpumpe zu betreiben, damit es fließendes Wasser gibt, aber sonst gibt es nicht viel. Im Winter wärme ich mit einem Holzofen oder den Kaminen – es gibt keine Zentralheizung. Es gibt überhaupt keinen modernen Schnickschnack, außer dem Satellitentelefon, das ich dorthin mitnehme. Meinen Sie, dass Sie das bewältigen könnten?«
»Aber sicher könnte ich das! Wofür halten Sie mich eigentlich, für eine Treibhausblume? Antworten Sie jetzt nicht«, schob sie schnell hinterher, als Jessa bereits Anstalten dazu machte.
»Also gut dann; ich habe vor, die vier Tage vor meinem Abflug nach New York dort zu verbringen.«
»Und ich bin eingeladen?«
»Wenn Sie meinen, dass Sie’s aushalten können.«
»Einverstanden, erst aber noch eine Frage: Wie wird das Bad beheizt? Ich weiß, es ist nicht wichtig, weil’s ja jetzt warm ist, aber ich bin doch neugierig, wie schlicht ihr kleiner Zufluchtsort wirklich ist.«
Jessa lächelte. »Das vergaß ich zu erwähnen. Ein elektrischer Heizkörper hängt an der Wand. Oh, und im Gästezimmer gibt es nicht viel Platz, weil das meine Abstellkammer ist. Also überlasse ich Ihnen das Schlafzimmer.«
»Na dann, abgemacht.« Shara grinste Jessa an und verspürte ein aufgeregtes Kribbeln in ihrem Bauch, das vollkommen unverhältnismäßig schien in Anbetracht eines Wochenendes unter primitiven Umständen und in Gegenwart einer launischen Musikerin.
»Sie sollten wohl besser reingehen. Ich wette, dass Sie Gäste haben – es sei denn, Sie sammeln Porsche.«
Shara sah sich um. Sie hatten hinter ihrem eigenen Auto haltgemacht, und Dereks Wagen stand vermutlich hinter dem verschlossenen Tor der Doppelgarage, aber
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