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Special - Zeig dein wahres Gesicht

Special - Zeig dein wahres Gesicht

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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Geruch.
    Aber dann streiften seine Finger ihre Wange und Tally spürte, wie sie bebten.
    Nein, sagte sie in Gedanken.
    Das Zittern war ganz leicht, fast nicht vorhanden, so vage wie das Echo von Regen, der einen Kilometer entfernt fällt. Aber es war überall, auf der Haut seines Gesichts, in den Muskeln seiner Arme, in seinen Lippen, die ihre berührten - sein ganzer Körper zitterte wie der eines frierenden Winzlings. Und plötzlich konnte Tally in ihn hineinschauen, in sein beschädigtes Nervensystem, die zerfressenen Verbindungen zwischen Körper und Gehirn.
    Sie versuchte dieses Bild zu verdrängen, aber es wurde nur deutlicher. Sie war schließlich darauf programmiert, Schwächen zu entdecken, sich die Gebrechlichkeiten und Mängel der Zufallsmenschen zu Nutze zumachen. Nicht, sie zu ignorieren.
    Tally versuchte ein wenig zurückzuweichen, aber Zanes Griff verstärkte sich noch, als glaubte er, sie festhalten zu können. Sie brach den Kuss ab, öffnete ihre Augen und starrte die blassen Finger an, die sie festhielten. Ein plötzlicher, unbezwinglicher Zorn wallte in ihr auf.
    „Tally, warte“, sagte er. „Wir können ...“
    Aber er hatte sie noch immer nicht losgelassen. Wut und Ekel erfüllten sie und Tally ließ ein kurzes Flattern aus rasierklingenscharfen Dornen über ihren Tarnanzug wandern. Zane schrie auf und wich zurück, seine Finger und Handflächen bluteten.
    Sie rollte weg, sprang auf die Füße und stürzte los. Sie hatte ihn geküsst, hatte sich von ihm berühren lassen - von einem, der kein Special und noch nicht einmal durchschnittlich war. Von einem Krüppel ...
    Ein bitterer Geschmack füllte ihre Kehle, als versuche die Erinnerung an diesen Kuss sich aus ihrem Körper zu reißen. Sie stolperte und fiel auf ein Knie, ihr Magen drehte sich um und die Welt wirbelte vor ihren Augen.
    „Tally!“ Er kam ihr nach.
    „Nicht!“ Sie hob eine Hand und wagte nicht, zu ihm aufzuschauen. Als sie die kalte, reine Seeluft einatmete, legte sich ihre Übelkeit langsam. Aber das würde sich ändern, wenn er auch nur einen Schritt näher käme.
    „Alles in Ordnung mit dir?“
    “Seh ich so aus, als ob alles in Ordnung wäre?“ Eine Welle von Schuldgefühlen wogte in Tally auf. Was hatte sie da eben getan? „Ich kann das einfach nicht, Zane.“
    Sie rappelte sich auf und rannte auf das Meer zu, weg von Zane. Der Felsausläufer endete in einer Kreideklippe, aber Tally wurde nicht langsamer ...
    Sie sprang, entging den Felsen unten nur um Haaresbreite, knallte auf die Wellen und tauchte in die eisige Umarmung des Wassers. Der tosende Ozean umwirbelte sie und warf sie fast an das zerklüftete Ufer zurück, aber mit einigen kraftvollen Schwimmzügen gelangte Tally tiefer nach unten, bis ihre Hände den dunklen, sandigen Boden streiften. Das wütende Wasser zog sich zurück und verwandelte sich um sie herum zur Brandungsströmung. Es zog Tally hinaus, dröhnte in ihren Ohren, löschte ihre Gedanken.
    Sie hielt den Atem an und überließ sich dem Ozean.
    ***
    Eine Minute später durchbrach Tally die Wasseroberfläche und schnappte nach Luft. Sie war einen halben Kilometer von ihrem Ausgangspunkt entfernt, weit weg vom Ufer und in einer Strömung, die sie nach Süden trug.
    Zane stand am Rand der Felsen, suchte das Wasser nach ihr ab und hatte seine blutigen Hände in seine Jacke gewickelt. Nach allem, was sie getan hatte, konnte Tally seinen Anblick nicht ertragen, wollte nicht einmal von ihm gesehen werden. Sie wollte nur noch verschwinden.
    Sie zog die Kapuze über ihr Gesicht und ließ den Anzug das glitzernde Silber des Wassers annehmen, ließ sich immer weiter forttragen.
    Als Zane dann endlich ins Lager zurückkehrte, schwamm Tally auf das Ufer zu.

Knochen
    Danach schien die Reise ewig zu dauern.
    An manchen Tagen war sie davon überzeugt, dass es sich bei dem Positionsfinder einfach um einen Smokey-Trick handelte, der sie für immer durch die Wildnis führen würde: den Krüppel Zane, der versuchte die langen Wandernächte zu überstehen, und die durchgeknallte Tally allein in ihrem Tarnanzug, un erreichbar und unsichtbar. Beide in ihrer eigenen Hölle gefangen.
    Sie fragte sich, wie Zane jetzt wohl für sie empfand. Nach allem, was passiert war, musste ihm doch klar geworden sein, wie schwach sie im Grunde war: Dr. Cables gefürchtete Kampfmaschine ausgeschaltet durch einen Kuss, zum Erbrechen gebracht durch eine zitternde Hand.
    Bei dieser Erinnerung hätte sie sich am liebsten geschnitten, ihre

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