Speechless (German Edition)
… so komisch es klingt, ich brauche dich, Cas. Ich brauche dich…
Cassiels Augen überflogen den Text einmal, dann ein weiteres Mal, ehe er den Inhalt dessen wirklich verstand.
„Warum?“, fragte er dann einfach nach. Obwohl er eine richtige, ganze Frage hatte formulieren wollen, so kam nur dieses eine Wort über seine Lippen und er fühlte sich schon im nächsten Moment schlecht deswegen. Vor allem, als er sah, wie Eneas’ Schultern für einen Moment nach unten sackten, ehe er begann einen weiteren Text zu tippen.
Warum? Gute Frage. Ich hab dich gesehen und ich habe gleich deine warme Art gespürt. Du siehst mich nicht an, als sei ich ein Freak – dabei bin ich einer. Es dauert eigentlich sehr lange, bis ich jemanden mag, jemanden vertraue und jemanden an mich heranlasse. Aber ich merke, wie viel es mir bedeutet, von jemand anderen Aufmerksamkeit zu bekommen, der nicht mein Bruder ist. Es tut gut, angesehen zu werden, wie ein Mensch. Und auch wenn ich mit dir nicht richtig kommunizieren kann, so verstehst du mich doch irgendwie, oder?
Du sprichst sogar mit mir, als wäre ich erwachsen. Alle anderen schauen auf mich herab und behandeln mich wie ein Kind. Ein Kind mit Problemen, die es selbst nicht handhaben kann. Glaub mir, ich habe Probleme – du hast sie selbst gesehen, aber egal was ich tue, ich kann nicht … also ich kanns nicht ändern. Ich weiß nicht, aber ich habe das Gefühl, dass du mich akzeptierst. Egal wie verkorkst ich bin und …
Macht es dir etwas aus, wenn ich die Nähe zu dir suche?
Kurz blickte Cassiel zwischen dem Text und Eneas hin und her, ließ sich die Worte durch den Kopf gehen und versuchte, dieses eine Mal eine vernünftige Antwort zu finden, die nicht nur aus einem läppischen Wort bestand, damit er dem, was Eneas ihm mitteilte, auch irgendwie gerecht werden konnte.
„Nein, es macht mir nichts aus. Es ist nur ungewohnt, wenn ich ehrlich sein soll. Es ist ungewohnt. Du hast es vielleicht mitbekommen, aber es ist bei Weitem nicht leicht für mich, mit dir umzugehen. Das liegt ein wenig daran, dass mir die Sensibilität fehlt, mit solchen Themen umzugehen. Es liegt nicht an dir, nicht dass du das denkst. Aber es ist ebenso ungewohnt, einer solchen Bitte gegenüber zu stehen. Du bist … immerhin auch ein Mann…“
Eneas Blick lag nach diesen Worten lange auf ihm. Wartend und überlegend, ehe wieder das charakteristische Ticken der Tastatur erklang.
Hat das wirklich damit etwas zu tun? Ich erinnere mich noch sehr gut daran, was du gesagt hast, bezüglich Beziehungen mit Männern und dass du dir das nicht vorstellen kannst. Aber ich bitte dich ja nicht, mit mir zu schlafen, ich bitte dich nur darum, ier hier hier zu schlafen. Da ist doch ein Unterschied, oder? Ich will dich nicht unter oder über mir. Ich will nur, dass du neben mir schläfst, damit ich nicht wieder zu Raven rüberlaufen muss, weil ich Angst habe, allein zu sein. Und ich will deine Nähe…
Es klang, würde man Eneas nicht kennen, sehr komisch und sehr … schwul. Natürlich war es auch im Kontext merkwürdig, aber irgendwas in Cassiel sträubte sich dagegen, nein zu sagen.
Irgendwas wollte ebenso bei Eneas sein, wollte hier bleiben und wollte dafür sorgen, dass dieses niedliche Lächeln auf seine Lippen trat. Er wollte dieses Glitzern in den Augen des Älteren wieder sehen. Es stand ihm so gut.
Vor allem, wann hatte man ihm gesagt, dass man ihn brauchte ? Es war schon … oh, eine ganze Weile her. Seine vorletzte Freundin hatte es ihm das letzte Mal gesagt. Aber sonst war er immer nur das hübsche Accessoire gewesen, das Frau gern mit zum Shoppen nahm.
Und jetzt sagte ihm jemand – eigentlich – wild fremdes, dass er ihn brauchte und Cassiel sprang auch noch drauf an.
„Wir sind und bleiben Freunde“, kam es jedoch nur von Cassiel. „Ich will nicht mehr als das und ebenso wenig will ich weniger als das. Ich kann dich gut leiden.“
Ich verspreche es dir.
„Ich glaube dir das, wirklich…“
Er setzte eine kurze Pause, fuhr sich durch die blonden, kürzeren Haare und schloss für einen Moment die Augen. „Musst du noch irgendwelche Pillen nehmen? Langsam würde ich gern ins Bett…“
Cassiel zog sein i-Phone aus der Hosentasche, stellte den Wecker etwas früher. Immerhin musste er am nächsten Tag noch einmal nach Hause. Er brauchte frische Kleidung und seinen Laptop, sonst bräuchte er gar nicht in der Redaktion auftauchen. Und wirklich Lust hatte er nicht darauf, es sich mit
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