Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
Vom Netzwerk:
bisschen wie zu Hause.
    Hab ich mir so die Praxis eines Psychiaters vorgestellt? Die obligatorische Couch gibt es hier jedenfalls nicht. Stattdessen ist alles sehr schlicht und stilbewusst eingerichtet: Stahl, Glas, Leder, Parkett. An einem Ende des Raums steht ein großer Schreibtisch, am anderen eine kleine Sitzgruppe mit zwei Sesseln, die sich gegenüberstehen. Wir setzen uns auf die Sessel und kommen gleich zur Sache. Als ich Dr. Sprenger erkläre, dass ich glaube, ein »Burn-out-Kandidat« zu sein, bombardiert er mich sofort mit Fragen. Er will wissen, wie ich darauf käme und welche Symptome ich bei mir beobachten würde. Ich erzähle ihm ein bisschen von meinem Alltag und dem ewigen Gefühl der Zeitknappheit.
    Er fasst zusammen: »Okay, also die ganze Zeit unterwegs, die ganze Zeit in Action. Die ganze Zeit am Handy, im Internet und so weiter und keine Zeit für das Wesentliche? Wissen Sie denn, was das Wesentliche für Sie ist?«
    Ich muss nachdenken. Die Frage kommt mir bekannt vor. Fängt der jetzt auch so an wie der Zeitmanagementpapst? Doch dann denke ich über seine Frage nach. Hm, eigentlich dachte ich ja immer, genau zu wissen, was mir wichtig ist. Freunde, Familie, ein bisschen freie Zeit für mich selbst et cetera. Aber dafür ist ja irgendwie nie genug Zeit da. Stattdessen beschäftige ich mich mit Dingen, die mich nicht weiterbringen und meine Zeit auffressen. Nach einigen Momenten der Stille versuche ich Dr. Sprenger zu vermitteln, was in meinem Kopf vorgeht. Drücke ich mich klar aus? Versteht er, was ich meine? Keine Ahnung.
    Der Burn-out-Experte hakt gleich nach. Er fragt, ob ich denn Zeit, die ich mit der Familie und Freunden verbringen würde, auch wirklich genießen könne. »Denn typisch für ein Burn-out ist, wenn er wirklich mal eingetreten ist«, erklärt er mir, »dass man nicht einmal mehr das, von dem man denkt, dass es einem eigentlich Spaß machen müsste, noch Spaß macht. Sondern man empfindet das dann als Belastung. Dass man, wenn die Kinder mit einem spielen wollen, sagt: ›Um Gottes willen, lass mich bloß in Ruhe!‹«
    Ich muss an Anton und meine Freundin und unseren Ausflug in den Ostberliner Tierpark vor zwei Wochen denken. Hab ich das genossen? Logo! Ein ganz klares Ja! Und wie. Ich könnte Wochen so verbringen. Wenn ich nur die Zeit hätte. So weit sei ich noch nicht, entgegne ich Sprenger ein wenig stolz auf mich und erleichtert.
    Das sei schon mal gut, sagt Dr. Sprenger und fragt gleich weiter. Wie gut ich mich denn abgrenzen könne, wenn jemand etwas von mir will? Mist. Jetzt hat er mich. Jetzt hat er einen wunden Punkt gefunden. Während ich über die Frage nachdenke, rutsche ich nervös auf dem Sessel herum. Ich muss es zugeben. Ich kann schwer Nein sagen, wenn jemand etwas von mir will. Schlimmer noch, eigentlich kann ich es gar nicht.
    Â»Das habe ich mir gedacht, deshalb habe ich ja gefragt«, entgegnet der Psychiater. Klugscheißer, denke ich. »Das heißt, Sie sind mehr erreichbar, als es tatsächlich notwendig wäre. Und Sie verlieren sich auch manchmal im Internet. Sie wollen irgendetwas recherchieren, und stattdessen landen Sie auf irgendeiner anderen Seite und dann auf noch irgendeiner Seite. So?«
    Â»So, genau so«, antworte ich. Ich grinse verlegen. Verdammt. Der kennt mich doch gar nicht. Ich sitze doch gerade mal zehn Minuten hier.
    Ich sei da schon auf einer guten Spur, fährt Dr. Sprenger fort. Das alles seien Hinweise darauf, dass ich meine Fokussierung nicht mehr gut hinbekäme, die man paradoxerweise bräuchte, wenn man nicht ausbrennen wolle.
    Â»Burn-out hat viel mit Disziplin zu tun. Und wir leben ja heute in einer Zeit, in der es von allem zu viel gibt. Zu viel Informationsangebot, zu viel Essen, zu viele Termine. Wir müssen also relativ stark aussuchen. Und es scheint so, als müssten Sie das wieder lernen.«
    Hm, lernen auszusuchen. Ich denke darüber nach und muss feststellen, dass der Psychiater auch hier recht hat. Ich kann mich tatsächlich sehr schwer entscheiden. Das beginnt schon bei den kleinsten Dingen des Alltags, beim Klamotten- oder Plattenkauf zum Beispiel. Aber auch im Job werden mir ständig neue Entscheidungen aufgezwungen, die ich gern so lange wie möglich hinauszögere. Aber hab ich deswegen gleich ein Burn-out? Ich hoffe immer noch, dass es nicht so ist.
    Wie es denn gesundheitlich so bei mir

Weitere Kostenlose Bücher