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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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habe ich jedenfalls nicht den Eindruck, dass sich die Erkenntnis herumgesprochen hat, die Temposteigerung sei an einem Ende angelangt. Die Temposucht des Menschen scheint mir jedenfalls keineswegs gesättigt zu sein, sondern unvermindert fortzubestehen.
    Â»Das ist auch so. Da haben Sie recht. Doch heute versuchen wir durch ›Vergleichzeitigung‹ und Zeitverdichtung und nicht mehr nur durch Schnelligkeit schneller zu werden. Wir beschleunigen dadurch, dass wir immer mehr Dinge gleichzeitig machen. Also das, was man neudeutsch ›Multitasking‹ nennt.« Doch richtiges Multitasking, da seien sich die Hirnforscher einig, funktioniere im menschlichen Gehirn eigentlich gar nicht. Das Gehirn sei programmiert auf eins nach dem anderen. Das gehe zugegebenermaßen aber ziemlich fix. Doch Dinge, die man vertieft angehen müsse, die man gründlich machen müsse, die ließen sich nicht durch Zeitverdichtung oder Multitasking be schleunigen, die bräuchten unsere ganze Aufmerksamkeit. »Fle xibilisierung« sei neben »Multitasking« das zweite Zauberwort der Beschleunigung.
    Stimmt irgendwie, was der Professor da sagt. Für immer mehr Menschen scheint es heute tatsächlich keine Rolle mehr zu spielen, ob sie tags, nachts oder 24 Stunden am Stück arbeiten – allein das Ergebnis zählt. Unsere Arbeits- und Gehirnlaufzeiten werden, ohne dass wir es so richtig wahrnehmen, per Handy und E-Mail bis ins Privatleben hinein verlängert: Der flexible Mensch ist immer auf »Stand-by«, immer »on«. Um Zeit zu gewinnen, macht er keine Pausen mehr, erledigt nicht mehr eins nach dem anderen, sondern alles zugleich: e-mailen, simsen, essen, telefonieren, das Kind versorgen. Geißler nennt diese Menschen, die maximal flexibel sind und sich perfekt im Multitasking eingerichtet haben, »Simultanten«.
    Leider erkenne ich mich sofort in seiner Beschreibung des Phänomens wieder. Bin ich also, ganz ohne es bisher gemerkt zu haben, zu einem Simultanten geworden? Hört sich irgendwie fies an, nach Science-Fiction, nach Mutant und Aufschneiderei. So will ich nicht sein. Ich muss an meinen Sohn denken. Soll der so einen Simultanten als Vater haben? Einen, der nonstop telefoniert, mailt, arbeitet, managt, während ich eigentlich mit Anton Fußball spielen sollte? Nein. Wie komme ich da nur wieder raus? Okay, eins nach dem anderen machen. Dafür muss ich mich aber erst mal besser organisieren. Also doch Zeitmanagement? Ich bin verwirrt.
    Â»O Gott, nein. Zeitmanagement ist sozusagen der sicherste Weg zu neuen Zeitproblemen«, versichert Geißler lachend, »und zu noch größeren. Es ist eine moderne Märchenerzählung, dass man mit der Zeit ins Reine kommen kann, dass man sie organisieren oder sparen kann. All das geht überhaupt nicht. Wir wissen doch alle: Je mehr Zeit ich spare, desto mehr komme ich unter Zeitdruck. Deshalb sollte man sich das Zeitmanagement sparen und die Zeit besser nutzen. Durch Multitasking und den Verzicht auf Pausen werden Sie von Ihrer Zeitnot jedenfalls nicht befreit. Zeit kann man nicht durch Zeitsparen, sondern nur durch Zeit selbst wiedergewinnen. Durch entdichtete Zeiten, ob sie nun ›Feierabend‹, ›Urlaub‹, ›Sonntag‹ oder ›Kaffeepause‹ heißen.«
    Â»Haben Sie irgendeinen Rat für mich?« In dem Moment, als ich Geißler diese Frage stelle, macht es aus meiner Hosentasche laut: »Dingdong!« Mein Handy klingelt. Als ob es eines weiteren Beweises dafür bedurft hätte, dass ich tatsächlich so ein verdammter Simultant bin. Ich werde sofort knallrot. Es ist mir irgendwie sehr peinlich vor diesem so souveränen alten Herrn.
    Ob er denn für eine radikale Entschleunigung eintrete, will ich von Geißler wissen. Nein, nein, er sei kein radikaler Entschleuniger. Vieles an der Beschleunigung sei ja sinnvoll. Aber die Frage, ob Beschleunigung in bestimmten Bereichen sinnvoll ist oder eher sinnlos sei, werde eben gar nicht mehr gestellt. Beschleunigung werde heute per se als gut und Verlangsamung als schlecht angesehen. Er selbst sei für Enthetzen. Enthetzen hieße nichts anderes, als überflüssige Beschleunigung abzubauen. In anderen Worten: Es gehe darum, die angemessene Geschwindigkeit für die verschiedenen Lebensbereiche zu finden. Es geht also wie bei Alex auch um das gesunde Mittelmaß. Doch was ist angemessen? Was ist meine »Wohlfühltemperatur«

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