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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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in Sachen Geschwindigkeit?
    Deswegen habe er ja die deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik mitgegründet, erklärt Geißler. Weil er der Meinung sei, dass mein Zeitproblem kein individuelles Problem sei, wie es das Zeitmanagement ja unterstelle, »sondern ein gesellschaftliches und besonders auch ein politisches Problem. Denn politische Entscheidungen sind auch Zeitentscheidungen. Und das den Leuten bewusst zu machen und zu wissen, welche Konsequenzen politische Entscheidungen für das Zeitleben der Menschen haben, das ist eigentlich die Aufgabe der Zeitpolitik.« Wenn man zum Beispiel den Sonntag abschaffe, dann sei doch klar, dass weniger Kinder geboren würden und dass die Scheidungsrate steigen würde. Das sei alles prognostizierbar. »Aber das wird nicht diskutiert. Es wird nur behauptet, dass wir mehr Wachstum bekommen, wenn die Geschäfte sonntags aufhaben, und dass wir an Freiheit gewinnen, noch mehr zu shoppen. Aber es wird nicht über Kinder diskutiert, es wird nicht über Familien diskutiert, es wird nicht über das Ausbrennen der Menschen diskutiert.«
    Wie im Nu sind in Geißlers Garten Stunden verflogen, und es ist dunkel geworden. Wir gehen rein, denn ich muss mich natürlich wieder beeilen, um meinen ICE nach Hause noch zu bekommen. Einen weiteren Tag oder zumindest über Nacht in München zu bleiben und den Abend im Biergarten zu genießen, dafür hatte ich mir natürlich wieder keine Zeit eingeplant. Stattdessen habe ich mir ein Ticket für den letzten Zug nach Berlin gekauft. Selbstverständlich online. Umtausch und Rückgabe ausgeschlossen. Das nenn ich Flexibilität!
    Mein Blick wandert durch das aufgeräumte Wohnzimmer des Professors mit dem weißen Bart. Mir fällt auf, dass hier nirgendwo eine Uhr hängt. Als wolle Geißler der Vertaktung keine Chance geben. Auch nach einem Fernseher halte ich vergeblich Ausschau. Alles ist hier sehr schlicht gehalten, in den Regalen stehen viele Bücher. Schöne, große Bücher.
    Â»Einige davon hat meine Frau herausgegeben. Sie macht aufwändige Kunstbücher in Miniauflage. Wenn Sie so wollen, ist das eine sehr zeitaufwändige und entschleunigte Arbeit. Aber auch die kann manchmal in regelrechten Stress und Zeitdruck ausarten, wenn sie einen Abgabetermin hat.«
    So wie Geißler das sagt, merkt man, dass ihm nicht wohl ist bei dem Gedanken, sich fremdbestimmten Terminen unterzuordnen. Er selbst überzieht die Fristen, die ihm die Verlage seiner Bücher setzen, ständig, sagt er. Ein Buch sei fertig, wenn es fertig ist und nicht wenn der Verlag es will. Die scheinen dieses augenzwinkernde Spiel des Zeitprofessors mitzumachen. Sie schätzen ihn als Autor und nehmen es ihm nicht übel, warten zu müssen. Er hält den gestressten Medienmenschen damit immer wieder den Spiegel vor. Die spitzbübische Freude darüber kann Geißler kaum verbergen.
    Zum Abschied wage ich nochmal einen Versuch. Der erste war ja durch mein Handy jäh unterbrochen worden. Ob er doch noch einen konkreten Rat für mich hat? Geißler zögert kurz, denn er ist kein Freund der einfachen Antworten. Dann sagt er: »Unser Leben ist sehr stark durch die Uhr und durch Maschinen und Geräte vorgegeben, und daran orientieren wir uns. Am liebsten würden viele von uns ja genau so funktionieren wie eine Maschine oder ein Computer. Rund um die Uhr aktiv sein können, keine Pausen mehr kennen, keine Wartezeiten, keinen Urlaub, keinen Sonntag. Das Leben der Maschinen und der Uhr ist vertaktet. Und Takt heißt: Wiederholungen ohne Abweichungen. Immer das Gleiche, immer eins nach dem anderen. Aber unser natürliches Leben, unser von der Natur mitgegebenes Leben, orientiert sich am Rhythmus. Und Rhythmus heißt: Wiederholungen mit Abweichungen. Das heißt: Jeder Tag ist gleich lang, aber ein bisschen anders, inhaltlich und qualitativ. Und es ist wichtig, dass wir dieses andere Leben, dieses rhythmische Leben als Orientierungspunkt haben. Das vertaktete Leben macht uns zur Maschine, und das macht unzufrieden.«
    Eine halbe Stunde später sitze ich schon im ICE und bin auf dem Heimweg nach Berlin. Maschinen, Computer und Simultanten – durch meinen Kopf rauschen die Informationen, und gleichzeitig fühle ich mich total kaputt. Mit leerem Blick starre ich müde aus dem Fenster. Eigentlich würde ich jetzt gern schlafen. Doch dafür haben mich die heutigen Gespräche zu

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