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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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in meinem Freundes- oder Bekanntenkreis keinen einzigen Un ternehmensberater gibt, beginne ich zuerst ganz naiv, im Milieu der weltweit operierenden Unternehmensberatungen zu recher chieren. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie schwierig es ist, mehr über die Arbeit dieser Unternehmen zu erfahren.
    Zuallererst probiere ich mein Glück natürlich bei der weltgrößten und bekanntesten Unternehmensberatung: McKinsey. Ich rufe die Presseabteilung von McKinsey an und erkläre der Pressesprecherin, dass ich mich gern mit einem ihrer Berater über das Thema »Zeit und Beschleunigung« unterhalten würde. Das Gespräch und meine Recherchen würden möglicherweise Eingang in einen Dokumentarfilm und ein Buch finden. Das klinge ja sehr spannend und sei sicher ein sehr interessantes Projekt, entgegnet mir die Frau von McKinsey freundlich, aber vor allem reserviert. »Ich möchte Ihnen da nicht viel Hoffnung machen. Wir beteiligen uns normalerweise nicht an solchen Projekten. Aber ich werde Ihre Anfrage weiterleiten.« Na immerhin, denke ich.
    Doch die Absage folgt einige Tage später per E-Mail und ist unmissverständlich: Nach Rücksprache müsse man mir bedauerlicherweise mitteilen, dass man mir nicht weiterhelfen könne. Leider lasse sich meine Anfrage nicht mit McKinseys grundsätzlichem Verständnis von Diskretion vereinbaren. Trotzdem wünsche man mir viel Erfolg mit diesem interessanten Projekt. Mit freundlichen Grüßen. Blablaba.
    Das ist deutlich. Ich fühle mich erst mal schlecht. Als hätte ich etwas Unanständiges verlangt. Dabei wollte ich doch niemanden zu irgendwelchen Indiskretionen verleiten, sondern mich einfach nur mal mit jemandem, zu dessen täglichem Job Effizienzsteigerung, Wachstum und Beschleunigung gehören, über die Zeit und darüber unterhalten, warum diese Aspekte so furchtbar wichtig zu sein scheinen.
    Macht nichts, denke ich mir. Probiere ich es einfach bei einer der anderen großen Unternehmensberatungen. Es gibt ja genug. Ich telefoniere die Top Ten nacheinander ab, um mein Anliegen vorzubringen. Die Reaktion kommt zum Teil direkt, zum Teil erst nach ein paar Wochen, aber sie kommt bei fast allen ähnlich. Es sei ein hochinteressantes Thema, mit dem ich mich da befasse, und passe ja eigentlich auch haargenau zur Unternehmensmission der Beratungsfirma XY, aber leider, leider stehe keiner der Mitarbeiter für so etwas zur Verfügung. Man wünsche mir dennoch weiterhin viel Glück und sei sehr gespannt auf das Ergebnis meiner Arbeit.
    Die Ähnlichkeit der Absagen ist verblüffend und macht mich schon stutzig. Aber was mich besonders erstaunt, ist, dass auch die Begründungen für die Absagen fast immer gleich klingen. Ein Teil der Beratungsfirmen verweist darauf, dass ihre Geschäfte so vertraulich seien, dass sie generell kein Interesse daran hätten, in der Öffentlichkeit zu stehen. Einzige Ausnahme sei das Recruiting, also die Suche nach Beraternachwuchs, nach Frischfleisch sozusagen. Hier sei man an einem positiven Bild des Berufsstandes sehr interessiert und suche die Öffentlichkeit. Die anderen begründeten ihre Absage damit, dass das Bild des Unternehmensberaters in der Öffentlichkeit allerspätestens seit der Finanzkrise, natürlich unberechtigterweise, so negativ, klischeebeladen und beschädigt sei, dass man nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen wolle. Aus allen Absagen spüre ich deutliches Misstrauen.
    Schon komisch, denke ich mir. Dass eine Branche, die in den letzten Jahrzehnten Wirtschaft, Politik und Gesellschaft so sehr beeinflusst hat wie keine zweite und aus der sich ein beträchtlicher Teil des Personals der Vorstandsetagen der größten Unternehmen der Welt rekrutiert, das Licht der Öffentlichkeit so sehr scheut. Wenn man etwas über die Arbeitsweise der Branche erfahren will und kein potenzieller Kunde ist oder gerade einen Job sucht, trifft man regelrecht auf eine Mauer des Schweigens.
    Einen Moment lang weiß ich nicht weiter und denke schon daran, meinen Plan aufzugeben und woanders nach einem geeigneten Gesprächspartner zu suchen. Doch dann gibt mein Kollege Oliver mir einen guten Tipp. Ein Sandkastenfreund von ihm hätte lange als Unternehmensberater für die BCG gearbeitet. Er wisse zwar nicht, ob er da noch sei, aber ich solle ihn doch einfach mal kontaktieren. Vielleicht würde der ja mit mir reden oder könne mir zumindest

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