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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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Wien bleiben. Liebes Tagebuch, mir behagt das Ganze nicht. Ich bin Pazifist und will nicht Teil eines bizarren Radiokriegs sein.
    Liebes Tagebuch, Chefcontroller Blumenau hat sich mit Brigadier Karner zu einer Lagebesprechung zurückgezogen, während wir alle als Büsche und Heuballen getarnt im Unterholz liegen. Vor uns liegt Timmelkam. Aus einem einzelnen Haus dringt Musik aus einem Radio. Eindeutig keine FM4- Musik, es sei denn, man wollte »Brunner&Brunner« als Alternative-Musik bezeichnen. Der Plan sieht vor, dass wir das Haus stürmen, das Überraschungsmoment ausnutzen und einer von uns blitzschnell den Sender auf die FM4- Frequenz verstellt. Liebes Tagebuch, ich will nicht fremde Leute dazu zwingen, FM4 zu hören. Kann man Hörerzahlen nicht auch auf friedliche Weise verbessern? Muss man immer Gewalt anwenden? Obwohl – wenn ich ehrlich hin, dieser »Brunner&Brunner«-Müll nervt mich auch unendlich. Also gut. Auf in den Kampf. Für Gott und FM4 .
    10.9.
    Liebes Tagebuch, das ist ja mal interessant. Wir haben den sozialen Background aller FM4- Mitarbeiter untersucht und sind zu dem überraschenden Ergebnis gekommen, dass 75% aller Kollegen aus Fleischhauer-Familien kommen. FM4  – der Metzger-Sender. Der typische FM4- Mitarbeiter hat demnach mit sechs Jahren das erste Mal selbst geschlachtet, ist in ländlichen Verhältnissen aufgewachsen, ohne Strom, dafür mit zerrüttetem Elternhaus, in dem Vater, Mutter und Geschwister regelmäßig mit dem Hackebeil aufeinander losgegangen sind. FM4 ler sind strenggläubig, sektenähnlich erzogen worden und waren im dörflichen Leben skurrile Außenseiter. Wenn man das alles bedenkt, lässt sich vieles bei unserem kleinen Schlachter-Sender erklären.
    Liebes Tagebuch, seit der soziologischen Untersuchung habe ich noch mehr das Gefühl, im Betrieb eine Art Alien zu sein. Ich bin der Einzige, dessen erster Sexualpartner nur zwei Beine hatte, und der sich nicht schon im Vorschulalter mit schweren Eisenketten selbst kasteit hat. Ich bin der Einzige, aus dem noch nie der Teufel ausgetrieben worden ist, und der Einzige, der noch nie warmes Kälberblut getrunken hat. Alle anderen sind auf einsamen Bergbauernhöfen aufgewachsen, ich im Ruhrpott, wo ich meine Kindheit unter Tage verbracht habe. Sie lebten in 2000 Meter Höhe, ich in 2000 Meter Tiefe. Ich habe mich von Bier und Kohlenstaub ernährt, eine Erfahrung, die meine Kollegen nicht nachempfinden können. Vielleicht ist das Grund, warum ich zu keinem Fest und keiner Sitzung eingeladen werde.
    11.9.
    Liebes Tagebuch, seit ich heimlich die geheimen Tagebücher von zwei Mitarbeitern von News gelesen habe, gehe ich wieder richtig gern zur Arbeit ins Funkhaus. Gut, auch bei unserem kleinen Freaksender FM4 gibt's Ungerechtigkeiten, Unfairness und Brutalität, aber was ich bei Worm gelesen habe, toppt alles. Er ist ja in Wahrheit Günter Walraff, und er wird bald sein Aufdeckungsbuch herausbringen mit dem schönen Titel: »Der Mann, der bei News Alfred Worm war.« Toll, wie Walraff sich verkleiden kann! Na ja, eigentlich fund ich's ja spannender, wenn Walraff zu FM4 käme und aufdeckte, was das Zeug hält, aber wahrscheinlich ist unser kleiner High-Quality-Sender ihm nicht interessant genug.
    Liebes Tagebuch, wie geschickt von mir, zurzeit gleich zweimal aufzutreten: als Worm und als Stermann. In sechs Wochen kommt bei 2001 mein Aufdeckungsschocker heraus; nach Hans Esser und Ali jetzt: »Günter Walraff, der Mann, der bei FM4 Dirk Stermann war.« Eklige Innenansichten eines österreichischen Radiosenders. Blumenau und Senderchefin Eigensperger und all die anderen Ausbeuter bei FM4 können sich schon mal warm anziehen – und Christoph Grissemann, den ich jahrelang angelogen habe, der ja wirklich felsenfest glaubt, ich sei Dirk Stermann, der kann sich auch auf was gefasst machen. Ihm widme ich ein eigenes Kapitel – mit der Überschrift »Suff, Sex, Sucht und Zynismus.«
    15.9.
    Liebes Tagebuch, nachdem in den letzten 12 Monaten 34 Kolleginnen schwanger geworden sind und dazu noch 42 männliche Kollegen Vater wurden, gab es endlich vom Gesundheitsamt ein Seminar über Sexualität und Verhütung am Arbeitsplatz. Die Dame vom Aufklärungsamt begann das Seminar mit einer Diskussion. »Welche Arten von Verhütung kennst du?«, war ihre Eingangsfrage, und das Ergebnis war erschreckend. Die meisten Kolleginnen und Kollegen glauben, eine Schwangerschaft sei ausgeschlossen, wenn man beim Sexualakt an jemand Anderen denkt oder das

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