Speichelfaeden in der Buttermilch
Asylanten, und wenn der erste Asylant die Million gewinnt, schauen wir mal, wie weit es mit dem österreichischen Charme ist, der von der UNESCO als Weltkulturerbe unter Schutz gestellt werden soll.
Liebes Tagebuch, Frau Awadalla ist in der gleichen Trafik Kundin wie ich. Ich werde jetzt in der nächsten Zeit mal darauf achten, ob sie auch Kleingeld dabei hat oder immer sagt: »Tut mir leid, hab's gerade nicht kleiner!« Und ich werde sie mir anschauen. So, werde ich mir denken, sieht eine Frau aus, die weiß, wer als Bernard Schwartz auf die Welt kam, nämlich Tony Curtis, und was die sogenannten »Schwarzen Raucher« sind, nämlich Heißwasserquellen. Ich fürchte, bei FM4 fände sich niemand, der solche Fragen beantworten kann, und niemand von uns hätte jemanden, der zuhause als Telefonjoker brillieren könnte. Na ja, wir sind halt ein Popmusiksender, wir müssen ja nicht so viel wissen. Obwohl immerhin. Ich werde in der Trafik aber, wenn sie auch gerade drin steht, jetzt immer ein Packerl »Schwarze Raucher« bestellen und ihr zuzwinkern. Ein Packerl Heißwasserquellen, das wär's, was?
20.3.
Liebes Tagebuch, bald ist Ostern und da werden gerne Dinge versteckt. Mein Kollege Stermann versteckt das ganze Jahr über Dinge. Nämlich Talent, Intelligenz und Energie. Das bleibt natürlich auch der Chefin nicht verborgen. Inzwischen muss ich fast täglich mit Chefin Eigensperger reden, um Stermanns Rauswurf zu verhindern. Ich mache ihr Geschenke und Komplimente, gebe ihr Recht und appelliere an ihre Menschlichkeit. Stermann hat ja nichts außer FM4 . Wenn er das auch noch verliert, kann er sich gleich ausstopfen lassen oder verbuddeln. Aber er muss langsam auch mal was dafür tun. Nur in einer dunklen Redaktionsecke zu liegen und Kollegen anzubrüllen, dass sie ihn nicht wecken sollen, das ist auf Dauer zu wenig.
Liebes Tagebuch, diese widerliche Leistungsgesellschaft macht mich fertig. Ich habe gedacht, FM4 sei da anders, aber nein. Tatsächlich muss man hier für sein mickriges Gehalt genauso arbeiten wie überall sonst auch. Es ist nicht mal möglich, mal ein, zwei Wochen gar nichts zu tun, sich mal hinzulegen und zwei, drei Stündchen aufs Ohr zu hauen, sofort kommen diese Arbeitsspießer an und fordern einen auf aufzustehen. Mannomann. Der beflissene Grissemann liegt mir ständig im Ohr, auf dass ich mich doch einfach nur hauen möchte, dass er mir wirklich aufs Ohr haut, wenn ich mich nicht aufraffe und zu arbeiten beginne. Herrgottszeiten, schon mal was von Frühjahrsmüdigkeit gehört? Kann ich vielleicht was dafür, dass die bei mir direkt auf die Wintermüdigkeit folgt? Und dass es mir im Sommer sowieso zu warm ist zum Arbeiten? Weckt mich, wenn's Herbst wird, und lasst mich einfach mal in Ruhe.
21.3.
Liebes Tagebuch, wusstest du, dass Stermann, das alte Verkaufsgenie, all sein Gewand aus den 80er Jahren an den ATV Superstar Dominic Heinzl verkauft hat? Und sogar seine Original-Popperfrisur aus dem Jahr 81? Schon toll. Der Deutsche kann aus Scheiße Gold machen. Heinzl trägt Stermanns olle Klamotten stolz im Fernsehen, und Stermann selbst freut sich über sein Bombengeschäft. Mein Kollege war ja der erste Popper im Ruhrpott, aber nur für zwei Wochen, dann war ihm das Outfit zu affig. Na ja, dass Dominic Heinzl das Gewand 20 Jahre später toll findet, damit konnte keiner rechnen. Aber Stermann, ganz Gentleman, macht sich über Heinzls Geschmack nicht lustig, sondern schweigt und steckt diskret das Geld ein. Ja, mein Kollege ist ein Mann von Welt.
Liebes Tagebuch, ich war ja nur sehr kurz Popper, dann war ich Mod, um dann Punk zu werden. Mein ganzes Outfit von damals habe ich noch. Vielleicht sollte ich das auch dem ATV Star Heinzl anbieten? Meine schwarze Nietenjacke mit dem heute etwas blöd klingenden Graffiti: »Anarchie ist machbar, Frau Nachbar«. Ich weiß nicht, wahrscheinlich passt die Jacke nicht, wenn er dann in seiner Sendung »Hi Society« mit Miss-Wet-T-Shirt-Juroren in einer niederösterreichischen Schaumdisco plaudert. Oder mit Felix Dvorak. Die Sicherheitsnadeln für die Wange will er wahrscheinlich auch nicht haben. Na ja, was soll's. Dass er die Popperklamotten genommen hat, ist ja schon ungewöhnlich genug. Er ist offenbar als einziger Österreicher modisch auf den 80er Jahre-Retrozug aufgesprungen. Und er zieht's durch, obwohl keiner zu ihm aufspringt. Nicht schlecht, das nenne ich Individualismus.
23.3.
Liebes Tagebuch, ich rauche zurzeit im Durchschnitt herrliche 26 Zigaretten
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