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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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dass ich zu nichts mehr komme. Immer wenn ich eine dieser Fragen beantwortet habe, kommt irgendso ein »Robinson Kruse« oder eine »Anna Blöd« oder ein »Walther von der Vogelweide« oder jemand, der sich »jene dezent bunte Straßenkatze« nennt, mit einer neuen Frage, und ich sehe mich wieder gezwungen, diese neuen Fragen zu beantworten. Ich kann nur sagen: Ja, ich schwitze inzwischen auch beim Schwimmen.
    Liebes Tagebuch, herrlich. Inzwischen habe ich über 500 verschiedene Posternamen, unter denen ich Grissemann immer neue Fragen stelle. Ich bin »Lappe ohne Rentier«, nenne mich »Sushi-Pizza«, »Herr der Inge«, »Ziegenproblem« und »Sailor-who-eats-only-fish-heads-and-tails«. Ich poste unter dem Pseudonym »Jesus – I forgive you«, und auf der FM4- Homepage nenne ich mich entweder »Kriechfläche« oder »Mothergarage«. Ich habe mal auf der FM4- Homepage zwei Wochen lang alle Postings geschrieben. Manchmal glaube ich, dass ich in Österreich der Einzige bin, der in Gästebücher schreibt und Notes hinterlässt. Ich gebe gerne zu, dass mein Hobby auch ein bisschen langweilig ist, aber man kann sich seine Hobbys nicht aussuchen.
    24.4.
    Liebes Tagebuch, das waren noch Zeiten, als der gute Smash Brandschutzbeauftragter von FM4 war. Da er in New York war, hatten wir unsere Ruhe. Seit aber Christian Davidek der neue Brandschutzbeauftragte ist, ist es ungemütlich. Gut, ich sehe schon ein, dass es Bestimmungen gibt, die sinnvoll sind, damit wir im Falle eines Feuers nicht alle abbrennen, aber der gute Christian übertreibt's ein bisschen. Alle drei Meter muss in der Redaktion ein menschlicher Feuermelder stehen und bei Rauchentwicklung »Feuer« schreien. Sodass jeweils 15 von uns sinnlos herumstehen und auf Rauch warten. Dabei haben wir eh hochsensible Feuermelder an der Decke, aber das reicht Christian nicht. »Sicher ist sicher« ist sein Motto als offizieller Brandschutzbeauftragter von FM4 .
    Liebes Tagebuch, Christian Davidek hat alles Brennbare aus der Redaktion verbannt. Papier, Tische, Stühle, Kästen, Klopapier, Taschentücher, Grissemanns Haarersatzteile, Joe Remicks Pelzmützen, das Holzbein des Einbeinigen, die Hornbrille von Wortchef Pieper und sogar die Rute von Chefcontroller Blumenau. Alles musste abgegeben werden und wurde auf dem Parkplatz verbrannt. Wir mussten uns alle Haare vom Körper rasieren, und unsere Kleidung müssen wir im Foyer ablegen. Nackt und haarlos kauern wir jetzt in der Redaktion auf dem Boden, jeder von uns hält einen Feuerlöscher in der Hand, alle drei Meter steht ein menschlicher Feuermelder. Wir sind bereit. Feuer frei.
    25.4.
    Liebes Tagebuch, Stermann und ich haben ja auch in Berlin eine Radiosendung, und seit wir die dortige Kantine kennen, sind wir dankbar und glücklich über das Funkhausessen in Wien. Rückblickend muss man sagen, dass die beste Zeit in Berlin die war, als der Koch dort uns nichts zu essen gab, weil er unsere Sendung beschissen fand. Als wir schließlich nach ein bis zwei Jahren ganz normal bedient wurden, fing der lukullische Wahnsinn an. Schnitzel, innen blutig, außen zäh und trocken. Frankfurter, die zu Staub zerfallen, Suppen, zu hart zum Kauen, Fische, die bluten und noch alle Schuppen haben, Brei, aus dem Dämpfe aufsteigen, brennende Eier, flüssige Nudeln, alles in allem: Frankensteins Küche. Interessanterweise wechseln die Köche alle paar Monate, aber das Essen bleibt exakt gleich schlecht. Liebes Tagebuch, es ist dann jedes Mal eine solche Wohltat, die Kantine im Wiener Funkhaus zu betreten, wo sich angenehmste Düfte in die Nase kuscheln, dass man weinen möchte vor Glück.
    Liebes Tagebuch, gut, Kochen ist nun mal nicht jedermanns Sache. Jetzt könnte man natürlich im Fall der Berliner Radioköche darüber streiten, warum jemand, der es offensichtlich hasst, zu kochen, ausgerechnet Koch wird, er könnte ja auch Kanalarbeiter oder Tierpräparator werden. Aber gut. Was mich in der Berliner Kantine aber am meisten wundert, ist, dass auch die Getränke grottenschlecht schmecken. Selbst das Wasser stinkt, Orangensaft ist grün und Bier besteht nur aus grauem Schaum. Wie gibt's das? Auch das Geschirr und das Besteck riechen nach Pestiziden. Unheimlich ist das. Davon erzählen wir immer unseren FM4- Kollegen, wenn sie sich in der Kantine lautstark darüber beschweren, dass der Seetang auf dem Sushi nicht so intensiv schmeckt wie sonst und die Trüffeltorte zu klein portioniert ist. Wer je in Berlin beim Radio aß, wird Demut

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