Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
Vom Netzwerk:
gelernt. Dieser ekelhafte Geruch hat mich irgendwie an Stermann erinnert. Hoffentlich stirbt er nicht. Diese ganze Bürokratie rund um die Überstellung der Leiche würde mich total nerven. Dass sich dieser unhöfliche Germane nicht nach meinem Wohlbefinden erkundigt, war ja vorauszusehen. Ich habe mich übrigens verliebt, in die bezaubernde Frau eines Massai-Kriegers. Wir wollen Kinder jagen und Tiere kriegen.
    Oh Gott! Habe gerade von der TUI -Reiseleitung erfahren, dass Grissemann mit mehreren Speeren im Bauch neben einer afrikanischen Hütte in einem Wasserloch gefunden worden ist. Angeblich hat sich eine Frau gegen seine plumpen Anmachsprüche zur Wehr gesetzt. Er ist schwer verletzt des Landes verwiesen worden. Ich selber bin wieder gesund, nachdem mir ein Exorzist einen geriebenen Pavian-Penis in die Hirnanhangsdrüse gespritzt hat. Ich bin quietschfidel und freue mich über meine Dauererektion.

Rhodos und Duisburg
    Rhodos, 1.8.2001
    Liebes Tagebuch, während ich mich im Flugzeug übergeben habe, hat mein chinesischer Sitznachbar einen so köstlichen Witz gemacht, dass ich während des Kotzens laut lachen musste. Es handelte sich um einen politisch korrekten, sexistischen Witz, den ich als Linker in meinem Tagebuch leider nicht wiedergeben kann. Das Flugzeug landete mit 46stündiger Verspätung, weil wir an den Grenzen lange warten mussten. Mein lieber arbeitsuchender chinesischer Mitpassagier flog übrigens gleich von Griechenland in die Schweiz weiter, weil er so viel von »Job SUI« gelesen hat. Im Shuttlebus bekam ich weder einen Sitz- noch einen Stehplatz. Freundlicherweise durfte ich aber huckepack auf den Schultern des Busfahrers Platz nehmen. So war die Fahrt sehr schön, aber auch sehr lang. Im Prospekt hatte ja schon gestanden, »das Hotel liegt etwas außerhalb«. Damit, dass es im Landesinneren von Albanien liegt, war allerdings nicht zu rechnen. Egal, ich mach das Beste draus! Bis morgen, liebes Tagebuch.
    Duisburg, 1.8.2001
    Ich habe vom Fremdenverkehrsamt Duisburg einen Blumenstrauß bekommen, weil ich der erste Nachkriegstourist bin. Bin im Stadthotel Hotel Stadt Duisburg untergebracht, das nur nachts als Hotel benutzt wird. Tagsüber wird hier in riesigen Fässern Stahl gekocht. Das Fremdenverkehrsamt hat mir freundlicherweise ein Besichtigungsprogramm zusammengestellt. Als einziger Programmpunkt ist vorgesehen, dass ich morgen das Fremdenverkehrsamt besichtige. Im Werbeprospekt Duisburgs (eine DIN - A5 -Seite) sind zwei Abbildungen zu sehen: eine Eisenstange und das schöne Tuberkuloseheim, das im Volksmund hier »Hustensaft« genannt wird. Die Sehenswürdigkeiten sind doch eher rar gesät. Vielleicht hätte ich doch nicht gleich sechs Wochen Duisburg buchen sollen.
    Rhodos Tirana, 2.8.2001
    Trotz Reservierung ist mein Hotel leider überbucht. Habe die letzte Nacht auf den Schultern eines mongoloiden Küchenjungen geschlafen, der, während ich schlief, die Küche putzte. Ich fühl mich irgendwie gerädert. Nicht zuletzt, weil mehrere Kakerlaken in meine Ohren gekrochen sind und sich dann durch das Trommelfell gefressen haben. Zum Frühstück gab es Innereien. Ich fürchte menschliche, weil an einigen noch Kleidungsfetzen klebten. Weil es im gesamten Hotel kein Wasser gibt, hat der freundliche aber strenge Hotelmanager mir dreimal ins Gesicht gespuckt. Er sagte: »Dusche und Trinkwasser zugleich!« Na ja, andere Länder, andere Sitten! Sieben Mitglieder meiner Reisegruppe haben sich mit ihren Schnürsenkeln erwürgt. Wir Übriggebliebenen kauern jetzt gerade nackt in einem abgedunkelten Keller und warten darauf, dass der Urlaub endlich zu Ende geht. Ich überlege ernsthaft, mich eventuell beim Reisebüro in Wien zu beschweren.
    Duisburg, 2.8.2001
    Durch das Stahlkochen in meinem Hotel ist es in meinem Zimmer so heiß, dass sich mein Briefpapier ständig von allein entzündet. Ich selber bin mit Brandblasen übersät. Der durchschnittliche Duisburger sieht aus wie Niki Lauda. Ich wollte heute mal in die Natur, raus ins Freie. Der freundliche Hotelbesitzer hat mich in sein Büro geführt, wo ein Zimmerkaktus steht. Dort saß ich gemütlich den ganzen Tag auf einer Decke, mit Picknickkorb. An der Wand hängen als Zierde Röntgenbilder von lungenkrebskranken Mitarbeitern des Hotels. Draußen regnet es seit Jahren in Strömen. In den Lacken sitzen hustende Kinder. Ich denke oft an Grissemann und seinen Traumurlaub in Griechenland.

Kärnten
    Velden am Wörthersee, 4.8.2001
    Habe heute Grissemann

Weitere Kostenlose Bücher