Speichelfaeden in der Buttermilch
an.
Liebes Tagebuch, hab ich dir schon erzählt, dass ich draufgekommen bin, dass bei FM4 niemand einen ordentlichen Schulabschluss hat? Scherzhaft sagt Grissemann ja immer, ich hätte nur die kleine Matura: drei Jahre Volksschule und eine Tanzstunde. Aber … das stimmt! wieso wir es dann trotzdem schaffen, ein halbwegs intelligentes Image zu haben, liegt an einigen Ö3 -Werbestrategen und ORF -Image-Gurus, die FM4 so positioniert haben, auch wenn uns Mitarbeitern das geistige Rüstzeug fehlt, zu begreifen wie. Martin Blumenau ist angeblich sogar in der Tanzschule sitzengeblieben. Aber niemand traut sich, ihn danach zu fragen, aus Angst vor einem Gewaltausbruch. Denn so lernfähig sind FM4- Mitarbeiter doch: reize niemals, nie Chefcontroller Blumenau!
7.12.
Liebes Tagebuch, zwei Damen vom Jugendamt haben gerade eben zwölf junge Mitarbeiter mit Gewalt aus der Redaktion geschafft. Die zwölf waren schon seit Monaten nicht mehr in der Schule. Offenbar sind Marie, Karl, Jenny, Albert und wie sie alle heißen, allesamt unter 14. Was nicht so verwunderlich ist. Ältere würden für diesen Hungerlohn wohl kaum arbeiten. Ich habe erfahren, dass Albert z. B. 50 Euro im Monat bekommt. Chefin Eigensperger hat ihm erklärt, dass ihre elfjährige Enkelin auch nicht viel mehr Taschengeld monatlich bekommt. Nun ja, liebes Tagebuch, die Enkelin der Chefin hat aber auch sicher keinen 20-Stunden-Arbeitstag. Aber wie heißt's so schön intern: you're not at home, you're at work, baby.
Liebes Tagebuch, die beiden neunjährigen Zwillinge, die niedere Dienste bei der Technoshow »La Boum de Luxe« verrichten, haben heimlich mit UNICEF telefoniert. Scheinbar ist Nachtarbeit für Kinder selbst bei einem Jugendsender verboten. Dabei müssen die Zwillinge gar nichts Anstrengendes tun. Nur nachts Alkohol von der Tankstelle holen und hin und wieder für Gast- DJ s Drogen besorgen. UNICEF wirft FM4 aber vor allem vor, dass die Neunjährigen bei »La Boum de Luxe«-Auswärtsspielen in verrauchten Clubs um 6 Uhr morgens das Equipment abbauen müssen, nachdem sie die ganze Nacht am Tresen Bier und Soundselections verkauft haben. Heinz Reich, Chef von »La Boum«, argumentierte, dass moderne Technik ja gar nicht so viel wiege, aber das war den Leuten von UNICEF wurscht. Sie brachten die Kleinen in ein Kinderheim. Na ja, da treffen sie immerhin ehemalige Kollegen wieder.
8.12.
Liebes Tagebuch, FM4- Chefin Eigensperger hat zum ersten Mal seit Jahren wieder mal FM4 gehört, und ihr ist aufgefallen, dass wir Moderatoren zu ernst klingen, zu freudlos. Wir versuchten, ihr den Zusammenhang zwischen diesem Eindruck und den Arbeitsverhältnissen hier zu verdeutlichen, wurden aber mit einem Ohrfeigengewitter von Chefcontroller Blumenau abgewürgt. Die Chefin sagte, wir könnten jederzeit mit Problemen kommen, aber nicht zu ihr. Dann knallte sie einen Senderbefehl auf den Tisch und ging Golf spielen. Der kleine Wortchef Pieper lief als Caddy schweißgebadet mit der mehrere hundert Kilo schweren Golftasche hinterher. In der Anweisung steht, dass wir – Zitat – »mit einem Augenzwinkern« moderieren sollen. Und dass Blumenau das kontrollieren würde. Tatsächlich müssen wir jetzt beim »on air«-Sprechen ständig mit den Augen zwinkern. Ich fürchte, Chefkoordinator Blumenau hat die Anweisung zu wörtlich genommen: Claudia Unterweger wurde gerade mit einem Krampf im Auge ins AKH gebracht.
Liebes Tagebuch, weil Mirjam Unger eben vergessen hat, während einer Plattenmoderation mit den Augen zu zwinkern, hat Blumenau den armen Gerald Votava dazu verdonnert, neben ihr zu stehen und ihre Augen manuell zum Zwinkern zu bringen. Er muss jetzt im Sekundentakt ihre Augen zumachen und wieder öffnen. Es scheint ihm furchtbar peinlich zu sein, aber wenn er es nicht macht, hat Blumenau ihm angedroht, mit ihm zum Golfplatz der Chefin zu fahren und ihn dort abzuschlagen. Das hat Blumenau schon einmal mit Thomas Edlinger gemacht. Edlinger flog einige Meter weit und landete im Sand. Mirjam Ungers Auge ist durch die ständige Belästigung schon blau angelaufen und geschwollen.
13.12.
Liebes Tagebuch, natürlich müssen wir alle sparen, aber der diesjährige Weihnachtsbaum ist wirklich deprimierend. Eine Art Besenstiel aus Holzimitat. Unser Weihnachtsbaum liegt neben dem Eingang auf dem Boden, weil wir auch kein Geld für einen Baumständer haben. Auch der Besuch der Heiligen Drei Könige war enttäuschend. Chefcontroller Blumenau hatte den Besuch feierlich
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