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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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neben den Papierkorb gestellt hat.
    Andreas Ulrich singt gegen Abend seine todtraurigen Fado-Lieder für die versammelten Redaktionsmitglieder. Wir sind begeistert – wir wussten gar nicht, dass er so schön singen kann. Herr Ulrich singt jeden Abend von 17–24 Uhr durchgehend. Er trägt ein schwarzes Kleid sowie ein großes, schwarzes Kopftuch und singt von der Einsamkeit, der Trauer und dem drohenden Ende der Fußballeuropameisterschaft. Beim Singen laufen ihm Tränen über die Wangen. Das alles, liebes Tagebuch, hat etwas sehr Entrücktes.
    6.6.
    Netzer oder Prohaska, liebes Tagebuch, das ist die zentrale Frage these days in der FM4- Redaktion. Welcher sogenannte Analytiker genießt mehr Sympathien bei der fußballaffinen Redaktionscrew? Das Ergebnis ist durchaus geteilt. Stermann und Hölzl schätzen den ARD -Netzer. Verstehe ich nicht. Mit Cocker-Spaniel-Haarschnitt und blitzfalschen Zähnen hockt dieser komplett humorfreie Fußball-Oberlehrer da und weiß auf alles eine geschraubte Antwort. Dabei hat er selbst, wie Tante Käthe verraten hat, immer nur Standfußball gespielt. Nein, nein! Analysegott ist selbstredend die Schnecke, die mit dickem Stift kreisezeichnend – auch viel besser angezogen als Netzer – uns Dummen die Fußballwelt erklärt. »Und des is jetzt der Spieler, der was den Boin valiat.« Oder: »Und jetzt schiaßt da Zidane es Tor.« Genau. So isses. und jetzt versteht's auch Boris Uran. Außerdem: Niemand lacht so freundlich über seinen eigenen Banalitäten wie der hochsympathische Prohaska Schneck!
    Natürlich schätze ich den lieben Herbert Prohaska, liebes Tagebuch, genauso wie Ute Hölzl, Chefcontroller Blumenau und Rainer Springenschmid. Wir vier sind neben dem außerirdischen Albert Farkas übrigens die größten Fußball-Auskenner; trotzdem schlägt unser Herz für Günter Netzer. Weil er ein Fußball-Intellektueller ist. Und weil er weiß, dass Fußball keine Ironie verträgt. Sex übrigens auch nicht, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Netzer is King, und dabei bleibt's. Der direkte Vergleich Delling-Pariasek fiel in der FM4- Redaktion übrigens 65:0 für Pariasek aus. By the way: Lebt Hans Huber eigentlich noch?
    8.6.
    Heute war in der Mittagspause David-Beckham-Lookalike-Wettbewerb in der Redaktion. Ich bin Zweiter nach Mirjam Unger geworden … Ausschlag gebend für das gute Ergebnis muss wohl mein wahnsinnig guter Körper gewesen sein, denn vom Gesicht her sehe ich eher aus wie Figo oder Ballack. Geärgert über den Ausgang der Wahl haben sich vor allem Edlinger und Ostermayer. Die beiden sind haushoch Letzte geworden. Frau Higazi regte unverschämterweise an, die beiden sollten sich doch beim Rainer-Calmund-Lookalike-Wettbewerb anmelden, da hätten sie mehr Chancen …
    Bin heute ehrenhafter 49. in dem bescheuerten Ich-seh-aus-wie-David-Beckham-Wettkampf geworden. Immerhin noch vor Edlinger und Ostermayer. Na ja, bin halt nicht mehr so schlank-filigran wie der U-Bahn-sexuelle Grissemann. Hab bisschen deutschen Speck an den Hüften. Dass diese beiden Kantinendamen mich aber gestern Mittag mit Rainer Calmund verwechselt haben, hat mich doch etwas beschämt. Ich habe mich entschlossen, den Sommer über ausschließlich Schnittlauch zu mir nehmen, um im Herbst erstmals in meinem Leben die 130-Kilo-Marke zu unterschreiten. PS, liebes Tagebuch: Das Einzige, was der affektierte Grissemann eventuell mit einem Fußballer gemeinsam hat, ist die Frisur von Zidane.
    12.6.
    Der Schulschluss in Österreich hat einen wirklich großen Nachteil, liebes Tagebuch. Nämlich den, dass man ab jetzt auch am Vormittag Tausende und Abertausende unangenehme Teenager in der Stadt sieht. Kaugummikauend lungern diese frechen Biester beim McDonald's herum und sind nicht imstande – weil ihre Köpfe Viva- und Radio-Energy-verseucht sind –, beispielsweise den freundlichen Herrn Grissemann zu erkennen und mit einem leichten Diener zu begrüßen. Von wegen. Manche spucken vor mir aus oder stellen mir ein Bein! Ich bleibe dabei: Der nicht FM4 hörende Jugendliche ist die größte Plage und gehört lebenslang in die Schaumdisco gesperrt! »Hängt die Kinder höher!«, hört man mich in U-Bahnen schreien, wenn mir wieder mal eine dieser Nervensägen seinen Trottelrucksack in den Bauch rammt.
    Diese seltsam hinterm Mond lebenden Halbwüchsigen, die FM4 für ein Autokennzeichen halten, werden manchmal von ihren wesentlich progressiveren Deutschlehrern ins Funkhaus geschleppt, um eine Führung durch die

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