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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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FM4- Räumlichkeiten über sich ergehen zu lassen. Gelangweilt betrachten sie dann zum Beispiel Chefcontroller Blumenau, der sie zu Recht mit einer fürchterlichen Grimasse erschreckt, oder sie stehen in einer nach Pubertät stinkenden Traube um Grissemann und mich im Livestudio und starren uns fragend an. Und wenn der liebe Deutschlehrer dann sagt: »Schaut mal, das sind Stermann und Grissemann! Die sind sehr lustig!«, fragt der Frechste von allen, ob wir »Bon Jovi« oder »Rammstein« spielen können. Und schon macht man sich wieder so seine Gedanken, ob die gesunde Ohrfeige nicht vielleicht doch ganz gesund sein könnte.
    13.6.
    Es wird Zeit, liebes Tagebuch, endlich einmal einen ganzen Eintrag unsrer anbetungswürdigen Senderchefin Eigensperger zu widmen! Die Senderchefin ist eine schlaue, stets gutgelaunte, sanfte Diktatorin. Sie trägt ausgesucht teure Markenklamotten, trifft immer die richtigen Entscheidungen und hat stets ein offenes Ohr für die Wünsche und Beschwerden ihrer abgekämpften und ausgehungerten Untergebenen. Sie ist tierlieb, aufmerksam, attraktiv und bescheiden. Tausend schmeichelnde Vorzüge könnte ich noch aufzählen, aber eines darf auch nicht unerwähnt bleiben: Senderchefin Eigensperger hat das unglaublichste Lachen der Welt. Sie lacht so laut und so dreckig, dass man denkt, der Teufel selbst werde gerade gekitzelt. Dieses Lachen könnte sich nicht mal Jack Nicholson jemals antrainieren. Das Lachen der Senderchefin donnert und rattert und poltert wie ein Erdbeben in der Großstadt. Es lacht so aus dieser zierlichen Person heraus, dass man glaubt, es mit einer Besessenen zu tun zu haben. Es ist der reine Wahnsinn.
    Mir selbst platzte 1990 zum ersten Mal das Trommelfell, als ich der Senderchefin zum ersten Mal in der Funkhauskantine begegnete und ihr unvorsichtigerweise einen großartigen Witz erzählte. Die meisten Mitarbeiter laufen hier mit Ohrenschützern durch die Gänge. Ein Fernsehteam der BBC war vor zwei Jahren mal hier, um ein Porträt der Senderchefin zu filmen. Ihr diabolisches Lachen wurde dort mit heulenden Hyänen im Todeskampf gegengeschnitten. Kein schlechter Vergleich. Diverse Geräuschkünstler aus New York haben ihr Lachen aufgenommen und für Krach-Events gesampelt. Das laute Lachen der Senderchefin ist übrigens genau zwölf Dezibel lauter als eine in der Luft explodierende Boeing 707. Das hat ein Flugzeugtechniker letzten Herbst herausgefunden. Ja ja, unsre Senderchefin, die tollste Frau der Welt. Irgendwann lacht sie uns tot!
    14.6.
    Liebes Tagebuch, wir dachten, alle arbeiten so ähnlich wie wir für ihre Sendungen. Umso überraschter war ich, als ich gesehen habe, wie sich die Herren von der »Morning Show« auf ihre Sendung vorbereiten. Sie laufen sich erst warm, machen dann Sprechübungen und lernen ihr dickes Manuskript auswendig. Das heißt, sie kommen schon vier Stunden vor Sendungsbeginn, also kurz nach Mitternacht. Das hat mich sehr beeindruckt, und ich habe meinem Kollegen Stermann gesagt: »Von der ›Morning Show‹ lernen heißt siegen lernen, lass es uns genauso tun!« Aber Stermann hörte mir nicht zu, er konnte mich auch gar nicht hören, weil er so laut schnarchte. Dabei lief schon die Werbung vor unserer Sendung. Er wacht freitags ja regelmäßig erst während unserer Signation auf. Das ist unprofessionell, weil damit jede Vorbereitung auf die Sendung unmöglich wird. Aber als bestaussehender Mann bei FM4 kann er sich das offenbar leisten.
    Liebes Tagebuch, ich habe gestern beobachtet, dass sich die Kollegen Freeman und Larkin wirklich ins Zeug legen. Nach ihrer gestrigen Sendung sind sie nicht nachhause gegangen, sondern haben nach Sendungsende um 9.00 Uhr sofort weitergearbeitet für die heutige Sendung. Streber. Mich können sie damit nicht beeindrucken, auch wenn ich zugebe, dass ich beim letzten »Salon Helga« am Freitag für meine Verhältnisse grotesk engagiert war. Ich kam eine, fast zwei Minuten vor der Sendung und hatte ein leeres Blatt Papier dabei, mein Manuskript. Leider fiel mir dafür während der Sendung nichts ein. Wahrscheinlich weil ich zu vorbereitet war. Man kann auch Sendungen totinszenieren. Nee, nee. Radio ist ein Hilfsmedium, die Leute hören es nebenbei, beim Frühstück, beim Autofahren, Bügeln oder beim Sex. Da verpufft doch jede Anstrengung. Außerdem verliert man den Kontakt zum Hörer, wenn man sich anstrengt. Man darf nie klüger sein als der Hörer! Insofern lege ich mich wieder hin und deck mich mit dir, mein

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