Spektrum
bringen, was die großen religiösen Konfessionen zur Existenz von Seelen bei Außerirdischen dachten. Martin erinnerte sich vage daran, dass die Christen und insbesondere die orthodoxen unter ihnen sich in dieser Frage äußerst bedeckt hielten. Er könnte auch ein raffiniertes Strategiespiel laden und sich bis zum Morgen mit der Lösung globaler Probleme beschäftigen, Sternenkriege führen, Korporationen schaffen und zerstören sowie fremde Welten kolonisieren. Kurzum, er konnte sich dem normalen Leben eines normalen Menschen hingeben und sich die in sieben Exemplaren existierende Frau samt der sich nicht um den Sinn des Lebens scherenden Aranker aus dem Kopf schlagen.
In Martins Arbeitszimmer wartete indes eine Überraschung.
Diese Überraschung saß im Besuchersessel. Ein Mann von etwa vierzig Jahren, dessen Äußeres unauffällig, ja, banal anmutete – woraus sich schlussfolgern ließ, dass sein Kopf gemäß dem Vermächtnis Felix Edmundowitschs kalt, seine Hände zu Ehren desselben Dzierzynskis sowie des zaristischen Leibarztes Botkins rein gewaschen und sein Herz in unbedingter Übereinstimmung mit dem großen Tschekisten und den Gesetzen der Physiologie heiß war.
»Guten Abend«, brachte Martin bekümmert hervor und setzte sich an seinen Schreibtisch. Der ungebetene Gast erhob keinen Widerspruch, vielmehr lächelte er entschuldigend und breitete die Arme aus, gleichsam signalisierend: Was soll ich machen, das ist nun mal meine Arbeit …
»Herzlich willkommen zuhause, Martin«, begrüßte ihn der Gast. »Nennen Sie mich bitte Juri Sergejewitsch.«
»Wie Sie wünschen, Juri Sergejewitsch«, willigte Martin ein. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihren Feierabend störe«, entschuldigte sich der Gast. »Also …«
Martin schielte lediglich kurz auf das rote Büchlein, mit dem der Fremde sich auswies, öffnete es jedoch nicht. Während seiner Abwesenheit hatte er die Alarmanlage in der Wohnung eingeschaltet, noch jetzt blinkte an der Wand das rote Lämpchen des Bewegungsmelders auf. Wenn daraufhin niemand herbeigeeilt war, bedeutete dies, jemand hatte der Miliz mehr als nahe gelegt, sich keine Gedanken zu machen.
»Sie wissen, weshalb ich hier bin?«, fragte der Gast.
»Wollen wir uns nicht Ihre Version anhören?«, antwortete Martin mit einer Frage.
Juri Sergejewitsch widersprach nicht. »Irina Poluschkina. Sie sind auf der Suche nach ihr.«
»Richtig«, bestätigte Martin. »Bis heute.«
»Nein, nein, wir bitten Sie durchaus nicht, von der Suche abzusehen!«, ereiferte sich Juri Sergejewitsch.
»Sie spielen dabei gar keine Rolle. Es ist einfach vorbei, meine Arbeit ist beendet.«
»Haben Sie sie gefunden?«, frohlockte der Gast.
»In gewisser Weise. Morgen früh werde ich mich an Ihre Eltern wenden.«
»Hervorragend«, meinte Juri Sergejewitsch nickend. »Aber zunächst werden Sie alles mir erzählen.«
»Das verletzt meine Rechte als Privatdetektiv«, hielt Martin fest.
Der Gast zeigte sich verstimmt. »Was reden Sie denn da, Martin … Muss ich Sie etwa verhaften lassen und Ihnen das Schreiben vorlegen, das uns zur Aufnahme von Ermittlungen befugt? Muss ich wirklich erst etwas suchen, mit dem Sie unter Druck zu setzen sind, Sie an kleine Steuerbetrügereien und Schmuggel erinnern, ein Strafverfahren wegen überzogener Selbstverteidigung eröffnen? Sie schweben ohnehin stets in der Gefahr, gegen diesen Artikel zu verstoßen. Haben Sie ein Devisenkonto bei einer Westbank? Selbst damit machen Sie sich strafbar. Speichern Sie Verträge mit Ihren Klienten unter einem Passwort ab? Ein weiteres Vergehen! Es gibt viele Gesetze, Martin, da wird sich schon etwas Passendes für Sie finden. Wenn es sein muss, hängen wir selbst einem Heiligen etwas an. Lawrenti zum Beispiel. Und zwar alles im Rahmen des Gesetzes, merken Sie sich das!«
Geduldig hörte sich Martin die Tirade bis zum Ende an. »Sie haben mich nicht verstanden«, sagte er dann. »Ich verweigere mich einer Zusammenarbeit keineswegs. Ich habe Sie lediglich darauf hingewiesen, dass ich die Rechte meines Klienten verletze, wenn ich Ihnen vertrauliche Informationen zukommen lasse. Das ist mir sehr unangenehm.«
»Hätten Sie das doch gleich gesagt«, beschwichtigte Juri Sergejewitsch lächelnd. »Natürlich ist es unangenehm, auch nur in Kleinigkeiten von seinen Prinzipien abzurücken. Man möchte in einer Welt leben, in der das Böse ausgerottet ist und die Tugend obsiegt … Aber Sie sind ein intelligenter
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