Spektrum
beliebigen Planeten, und du hast auch ein Rätsel.« Juri Sergejewitsch verstummte. »Ihre Vermutung, Irina müsse an Informationen gelangt sein, trifft zu«, fuhr er dann fort. »Sie irren sich allerdings in einem anderen Punkt. Diese Informationen waren kein Geheimnis. Es war eine einfache Abhandlung, in der sämtlicher Klatsch, alle Entdeckungen und Veröffentlichungen aus wissenschaftlichen wie populären Zeitschriften zusammengetragen worden waren, damit überhaupt erst einmal eine grobe Überprüfung vorgenommen und blanker Unsinn ausgeschieden werden konnte. Heraus kam ein Dokument ›zum Dienstgebrauch‹, keinesfalls ›geheim‹. Zerbrechen Sie sich also nicht den Kopf über seinen Inhalt. Kaufen Sie sich einfach eine Boulevardzeitung – und Sie halten einen Teil des Archivs in der Hand.«
»Schon verstanden«, sagte Martin. »Sie interessieren sich nicht für die Geheimnisse, die Irina zu lüften versuchte.«
Juri Sergejewitsch nickte.
»Wenn ich herausbekomme, wie Irina es fertig gebracht hat, sich zu kopieren, werde ich es Ihnen mitteilen«, versprach Martin.
Der Gast legte eine Visitenkarte auf den Tisch – auf ihr standen nur sein Name und eine Telefonnummer – schüttelte Martin kräftig die Hand und ging wortlos aus dem Arbeitszimmer hinaus. Martin fiel auf, dass er das Dielenlicht nicht einschaltete. Was ein echter Profi mit einem guten fotografischen Gedächtnis doch alles vollbringt!
Ein Weilchen blieb Martin noch sitzen, um über das eben geführte Gespräch nachzudenken, seufzte, als er an die Thermowaffe dachte, die er nicht einmal ausprobiert hatte, und machte sich an die Durchsicht seiner Post.
Vierter Teil
Grün
Prolog
Der Adel – der echte, dessen Stammbaum weit in die Jahrhunderte zurückreicht und aristokratische Dekadenz erkennen lässt, nicht die amerikanischen Millionäre und russischen Defraudanten mit ihren gekauften Titeln – hat schon immer etwas von guter Küche verstanden.
Beim Durchblättern der hochglänzenden Seiten eines Kochbuchs konnte man leicht die schöne Lüge glauben, derzufolge die Zaren und Bojaren im alten Russland seit Urzeiten nichts anderes aßen als Pfannkuchen mit körnigem Kaviar, raffiniert gefüllte Gans, Gurjewer Piroggen und Weißlachs. Womit sich die Liebe von Peter dem Großen zu Gerstenbrei nicht anders als durch das seltsame Wesen und die Krankheiten des ruhmreichen Monarchen erklären ließe.
Und so frisst die neue Oberschicht zwar schmackhaftes, indes fettiges und schweres Essen, vermag sich einen Abend ohne Alkohol nicht vorzustellen, wobei sie sich naiv in Ausreden der Art flüchtet, die reichen Leute im alten Russland hätten sich stets auf diese Weise verköstigt, was ihnen bekanntermaßen trefflich bekommen sei, hätten sie doch ein langes und glückliches Leben geführt.
Ein verhängnisvoller Irrtum, der die Gefahr einer Magenverstimmung, von Leberverfettung und unerotischen Hüftpolstern in sich birgt!
Man sollte das festtägliche, das außergewöhnliche Essen, welches Auge und Magen erfreut, jedoch nicht alle Tage bekömmlich ist, nicht mit dem einfachen, alltäglichen, der Gesundheit dienlichen und dennoch nicht minder schmackhaften und ehrwürdigen Essen verwechseln. Die wahre Aristokratie weiß um diese Wahrheit – und erreicht eben deshalb ihr hohes Alter.
Martin stand am Herd und kochte sich Reiskascha zum Frühstück.
Die Sarazenenhirse, wie der Reis dereinst genannt wurde, schmeckt nicht jedem. Von klein auf wird dem Menschen der Geschmack an Reisbrei verleidet, das bittere Geheul der Kindergartenkinder findet seinen Widerhall in den grimmigen Mienen der Schulkinder, im kräftigen Gefluche anspruchsloser Soldaten und der stumpfen Resignation von Familienvätern, die sich mit dem Leben abgefunden haben und für ihren verhätschelten Nachwuchs den unappetitlichen Pamps aufessen. Dieser verklumpte, verkleisterte und verkochte weiße Matsch im Teller, den angebrannte Klumpen sprenkeln, die sich meist in der ganzen Reismasse zu verbergen suchen … Was für ein schauerlicher, was für ein beschämender Anblick. O ja, er weckt in der Seele manch lichtes Gefühl. Zum Beispiel Mitleid mit den Völkern in Südostasien, die von Sonnenauf- bis -Untergang Reis essen. Mehr aber auch nicht. Denn eine solche Kascha schmeckt weder, noch dient sie der Gesundheit.
Ein wenig besser verhält es sich mit Fertigkascha aus der Tüte und Instantreisflocken. Da diese Dinge ohnehin verdorben sind, kann man nicht mehr viel falsch
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