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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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und höflich. »Ich werfe Ihnen nichts vor, Martin. Und ich bitte Sie um Verzeihung, dass ich das Dossier verschwiegen habe. Ich war mir nicht sicher, ob Irina es gelesen hatte. Und über solche Dokumente spricht man besser nicht … wenn es nicht unbedingt sein muss. Entschuldigen Sie bitte.«
    Das brachte Martin aus dem Konzept. »Ist schon gut, ich verstehe das ja«, versicherte er achselzuckend. »Ich bitte um Entschuldigung, dass ich … die Mädchen nicht retten konnte.«
    »Sie werden nicht weiter für mich arbeiten?«, fragte Poluschkin noch einmal.
    Martin schüttelte den Kopf.
    »Wie wollen Sie Ihr Honorar haben? Einen Scheck, Bargeld, oder soll ich Ihnen das Geld überweisen?«
    »Bar natürlich«, erklärte Martin.
    »In Rubel, Dollar oder Euro?«
    »Am liebsten in Euro. Oder Rubel.«
    »Einen Moment.«
    Mit seinem breiten Rücken den in die Wand des Arbeitszimmers eingelassenen Safe abschirmend, öffnete Ernesto Semjonowitsch die massive Metalltür. Er knisterte mit Geld.
    Das Päckchen, das dann vor Martin auf dem Tisch erschien, war deutlich dicker, als er erwartet hatte. Fragend sah Martin Poluschkin an.
    »Das ist dreimal so viel, wie wir vereinbart haben«, bestätigte Poluschkin kühl. »Sie haben ja schließlich auch die dreifache Arbeit geleistet.«
    »Vielen Dank.« Nach kurzer Überlegung entschied Martin, dass er dieses Geld letzten Endes redlich verdient hatte.
    »Viel Glück.«
    Innerlich völlig aufgelöst, verließ Martin das Arbeitszimmer. Poluschkin blieb, wo er war, rief lediglich in den Korridor: »Larissa, begleiten Sie unseren Gast hinaus!«
    Auf diesen Befehl hin tauchte prompt eine ältere und gestrenge Haushälterin auf, die Martin zur Tür geleitete. Poluschkins Wohnung entsprach uneingeschränkt dessen Status: Bei dreihundert Quadratmetern, auf zwei Ebenen verteilt, nahm Martin die Hilfe gern an. Obwohl die Angestellte anscheinend wusste, wer er war, und sich Sorgen um Irina machte, gab sie keinen Ton von sich. Eine gut ausgebildete kleine Dame …
    An der Tür entdeckte Martin den traurigen Malteser Schäferhund. Dieser beschnupperte ihn eingehend. Ob ihm ein kaum noch wahrzunehmender Geruch von Irina anhaftete?
    »Sei nicht traurig, Homer«, tröstete ihn Martin in Erinnerung an Irinas Brief. Die Worte galten natürlich in erster Linie der Haushälterin, weniger dem Hund. »Dein Frauchen kommt bald zurück und gibt dir einen schönen Knochen.«
    »Er heißt Bart, nicht Homer«, sagte die Frau, die dem Vierbeiner den Nacken tätschelte. Mit einem Anflug von Dankbarkeit sah sie Martin an. Zumindest hatte der Detektiv ihr zu verstehen gegeben, dass noch Aussicht auf Irinas Rückkehr bestand. Das wusste die Frau zu schätzen.
    »Bart, sagen Sie?«, brummte Martin, während er sich die Schuhe anzog. In der Wohnung der Poluschkins mussten Besucher der um sich greifenden europäischen Mode zum Trotz noch nach russischer Sitte in Hausschuhe schlüpfen. Das leuchtete unmittelbar ein, denn die Moskauer Straßen trennten Welten von den sauberen europäischen Gehwegen. »Auf Wiedersehen.«
    Die Haushälterin nickte noch einmal, schloss sich dann jedoch wieder in ihre Sprödheit ein. Der Hund bellte ihm sehnsüchtig hinterher.
    »Bart«, knurrte Martin, als sich die Fahrstuhltür hinter ihm schloss. »Ha! Der große Blinde hat also gar nichts damit zu tun!«
    Martin liebte die amerikanische Zeichentrickserie Die Simpsons, in der er einen Hinweis auf die sich bei den Amerikanern rekelnde Fähigkeit zur Reflexion und einen vagen Protest gegen politische Korrektheit und Bigotterie sah. Folglich vermochte er den Ursprung des Hundenamens einzuordnen.
    Mehr Mühe bereitete es ihm zu verstehen, wie Irina sich so vertun und ihren Hund mit dem Namen von Simpson senior, nicht junior ansprechen konnte.
    Und Ernesto Semjonowitsch? Er dürfte doch wohl kaum vergessen haben, wie sein Hund heißt?
    Oder hörte der Vierbeiner sowohl auf den einen wie auf den anderen Namen?
    Oder steckte in dem harmlosen Brief eine Botschaft, die nur Eingeweihte verstanden?
    »Mein Vertrag ist ausgelaufen«, ermahnte Martin sich, indem er gegen die Tasche seines Jackett klopfte, die das pralle Notenbündel beherbergte. »Ob er nun Homer, Bart oder Lisa heißt.«
    Der Fahrstuhl erreichte das Parterre.
    Der Concierge, ein breitschultriger Mann mittleren Alters mit den Augen eines professionellen Mörders, starrte Martin hartnäckig an. Der nickte nur, genauso, wie er es bereits beim Betreten des Hauses getan hatte. Zur

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