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Spektrum

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Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Sollte er Poluschkin anrufen und ihm vom Planeten Marge erzählen? Sollte er Juri Sergejewitsch anrufen und sich die Reputation eines beflissenen Informanten verdienen?
    »Noch bin ich mir ja nicht sicher«, sagte sich Martin und schloss die Enzyklopädie. »Das sind reine Phantasiegespinste.«
    Auf Fakiu war er schon zweimal gewesen, das erste Mal ganz zu Beginn seiner Karriere – dieser Besuch hatte einen negativen Eindruck sondergleichen bei ihm hinterlassen –, das zweite Mal vor weniger als zwei Monaten. Diese Reise war weitaus interessanter gewesen. Martin hatte seinen Auftrag erledigen können, hatte eine Frau, die in dieser radikalen Form die Scheidung vollziehen wollte, finden und zur Rückkehr auf die Erde bewegen können. Mehr noch, er hatte sich sogar mit einem der Ureinwohner angefreundet – nun gut, nicht angefreundet, das Wort wäre zu stark, aber er war mit ihm bekannt geworden.
    Und das vereinfachte die Angelegenheit ungemein …
    Martin öffnete seinen Kalender. Gedankenschwer starrte er auf die Daten. Wenn es um Dio-Daos ging, kam der Zeit eine ungeheure Bedeutung zu.
    Eventuell schaffte er es noch rechtzeitig.
    »Warum habe ich Idiot bloß mit dem Hund gesprochen?«, stellte Martin sich eine rhetorische Frage, um sich hernach daranzumachen, seinen Rucksack zu packen. Die Tasse mit dem Kaffeerest stellte er in die Spüle, die Zigarre drückte er erbarmungslos aus und warf sie in den Mülleimer.
    Es könnte gelingen – doch es war ein Wettlauf gegen die Uhr.
     
    »Einsam ist es hier und traurig«, sagte der Schließer. »Ich habe schon viele solche Geschichten gehört, Wanderer.«
    Martin nickte. Von der ersten Geschichte, die er dem Schließer angeboten hatte, hatte er sich wahrlich keinen Erfolg versprochen. Ein komisches kurzes Märchen über einen blinden Unsichtbaren. Noch vor wenigen Jahren hätte Martin versucht, die Geschichte fortzusetzen, um wirklich alles aus ihr herauszuholen. Bisweilen begnügten sich Schließer mit zweitklassigen Witzen … Ob sie in letzter Zeit nörgeliger wurden?
    Seufzend schenkte Martin sich Tee ein. Dieser Schließer trank keinen Alkohol.
    »Kürzlich war ich auf dem Planeten Arank«, sagte er. »Eine interessante Welt. Die Aranker begreifen nicht, was es mit dem Sinn des Leben auf sich hat, doch das stört sie keinesfalls. Jetzt denke ich die ganze Zeit an sie, Schließer. Sie sind fast wie wir. Verstandesbrüder. Selbst ihre Unzulänglichkeiten stören uns nicht, denn es sind dieselben, die auch uns eigen sind. Sie haben alles – bis auf den Sinn. Im Vergleich dazu haben wir nichts. Selbst den Sinn vermögen nicht viele für sich zu benennen. Ich erinnere mich an einen jungen Erdenmenschen, Schließer. Er wuchs zu einem normalen, durchschnittlich intelligenten Jungen heran, der Unfug trieb und der lachte, je nach Situation, der sich ängstigte und weinte, wenn Entsprechendes geschah. Als die Zeit heranrückte, von der Kindheit Abschied zu nehmen, stellte sich der Junge zum ersten Mal die Frage, worin er bestehe, der Sinn des Lebens. Als belesenes Kind suchte er die Antwort in Büchern. Jene Bücher, die behaupteten, der Sinn des Lebens liege darin, für sein Vaterland oder eine Idee zu sterben, sonderte er sofort aus. Der Tod, selbst der heldenhafteste, konnte nicht der Sinn des Leben sein. Der Junge verfiel auf die Idee, der Sinn des Lebens müsse sich in der Liebe finden. Entsprechende Bücher gab es ebenfalls in reicher Zahl, und ihnen Glauben zu schenken erwies sich als ungleich leichter und angenehmer. Er fasste den Beschluss, sich auf der Stelle zu verlieben. So hielt er Ausschau, wählte ein passendes Mädchen und wähnte sich verliebt. Vielleicht vermochte der Junge sich selbst gut zu überzeugen, vielleicht war auch seine Stunde gekommen, denn er verliebte sich tatsächlich. Und es ging alles gut, bis die Liebe verflog. Zu diesem Zeitpunkt war der Junge bereits zu einem Jüngling herangewachsen, doch litt er noch genauso aufrichtig wie in seiner Kindheit. So beschloss er, es müsse die falsche Liebe gewesen sein, und verliebte sich aufs Neue. Immer und immer wieder, sobald die eine Liebe erlosch. Er glaubte sich selbst, wenn er die Worte ›Ich liebe dich‹ aussprach – und in der Tat log er nicht. Doch die Liebe erkaltete, und der junge Mann musste glauben, so sei es immer. Darauf fasste er den Entschluss, der Sinn des Lebens läge im Talent. Er suchte nach einem Talent in sich, mochte dieses auch noch so bescheiden sein. Denn der Jüngling

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