Spektrum
Fraß«, erklärte das Kind. »Welchen Unterschied macht das schon, Geddar? Du isst die Kräuter und Nüsse, die auf den Knochen deiner Vorfahren wachsen. Wir essen das Fleisch, das mit den Körpern unserer Vorfahren genährt worden ist.«
Entgegen Martins Erwartung fing der Geddar darauf keinen Streit an. »Das Leben ist hart«, sagte Kadrach nur.
»Erbarmungsloser ist nur der Tod«, pflichtete ihm Den-Der-Freund-Fand bei.
Sodann kehrten sie ins Haus von Herbstgeborener zurück, das fortan das Haus von Den-Der-Freund-Fand sein würde.
Da es inzwischen weit nach Mitternacht und sie alle müde waren, legten sie sich schlafen.
Zuvor aß Den-Der-Freund-Fand freilich noch einen Happen.
Martin schlief schlecht. Vor einigen Jahren hatte er einmal den aufschlussreichen Artikel eines Psychologen gelesen, der sich in seinen Forschungen mit denjenigen beschäftigte, die durch die Großen Tore reisten. Darin zählte er nicht nur traditionelle Probleme eingefleischter Touristen wie Depression, Desorientierung in Raum und Zeit, Suizidgefährdung, Impotenz, erhöhte Aggressivität und inadäquate Rezeption von Tonfall und Gesten auf, sondern gab auch diverse Ratschläge. Die entscheidende Empfehlung war die, zwischen den Besuchen von zwei Welten eine Pause von einer Woche, möglichst jedoch sogar von einem Monat einzulegen. In höchst missbilligender Weise ließ sich der Autor über all diejenigen aus, die von Welt zu Welt reisten, ohne zwischendurch auf die Erde zurückzukehren. Ein Besuch von drei verschiedenen Welten innerhalb einer Woche stellte nach Dafürhalten des Autors eine psychologische Belastung dar, welcher der menschliche Verstand nicht gewachsen war.
Natürlich übertrieb der Psychologe, wie es sich für jeden Arzt gehörte. Besser erschreckt man einen Patienten, als ihm trügerischen Optimismus einzuflößen. Zudem zog Martin bereits lange genug durch die Galaxis, um sich für besser vorbereitet zu halten als die meisten Reisenden.
Gleichwohl lastete ein schwerer, von Alpträumen satter Schlaf auf ihm. Im Traum bereitete Martin zusammen mit Den-Der-Freund-Fand ein Festmahl aus Herbstgeborener zu. Der Dio-Dao musste mit Gewürzen bestäubt, in Folie gerollt und direkt im Bett gebacken werden. Kadrach stand neben ihm und fragte sie aus: Ob Martin den Braten nicht zu stark würze? Ob das Fleisch des alten Dio-Daos auch weich genug sein würde? Schließlich verfiel Kadrach auf die Frage, ob der Fremdplanetarier auch koscher sei – und in seinem Verhalten schimmerte etwas von dem der jungen Provokateure aus der Station durch.
Dann stieß Irotschka Poluschkina zu ihnen. Sie war bleich, bewegte sich langsam, und als sie sich Martin näherte, begriff er, dass die junge Frau tot war. Als er von ihr wissen wollte, wie das passiert sei, antwortete Irotschka schuldbewusst, sie habe versucht, Gott zu schauen, doch solche Versuche führten zu nichts Gutem.
An die Festtafel setzte sie sich zusammen mit den anderen. Als Martin sich anschickte, das Essen abzulehnen, schüttelte sie ihn mit unweiblicher Kraft an den Schultern und verlangte, er solle sich unverzüglich über das schreckliche Mahl hermachen.
Als Martin aufwachte, erblickte er den neben seinem Nachtlager stehenden Den-Der-Freund-Fand. Kadrach war bereits aufgestanden und wusch sich. Auf dem Tisch wartete ein Frühstück, es roch nach gebratenem Fleisch.
»Steh auf, wir müssen aufbrechen«, sagte Den-Der-Freund-Fand. »Der Zug ins Tal Gottes geht in einer Stunde.«
»Dann begleitest du uns also?«, fragte Martin, während er die Reste des Traums abzuschütteln versuchte.
»Ich habe doch schon gesagt, dass ihr es allein nicht schaffen würdet.«
»Das hat dein Vater gesagt«, brummte Martin. »Herbstgeborener, nicht Den-Der-Freund-Fand.«
»In den ersten Tagen nach der Geburt fällt es uns schwer, das eigene Gedächtnis von dem fremden zu unterscheiden …«, erklärte der Dio-Dao lächelnd. »Richtig, das hat mein Elter gesagt. Aber ich habe ihm zugestimmt.«
»Das hast du sogar wirklich getan«, meinte Martin, indem er sich erhob. Kadrach und er hatten auf dem Fußboden geschlafen, auf das angebotene Bett hatten beide ohne sich darüber abzustimmen verzichtet.
»Du kannst mich übrigens einfach Eff-Eff nennen«, schlug Den-Der-Freund-Fand vor. »Das würde mich sogar freuen.«
»Und der Geddar?«, wollte Martin wissen.
»Mag auch er mich so nennen«, entschied Den-Der-Freund-Fand nach kurzem Zögern.
Über Nacht war Den-Der-Freund-Fand
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