Spektrum
glauben an alle Götter zugleich. Mich erzürnt das.«
»Das stimmt nicht«, widersprach Herbstgeborener.
»Dann korrigiere mich.« Kadrach bleckte die Zähne.
»Wir glauben an den Einen Gott, den Schöpfer des Universums«, erklärte Herbstgeborener stolz. »Aber wir halten Gott für Undefiniert.«
»Unerkennbar?«, hakte Martin nach. »Das ist in jeder Religion der Fall …«
»Nein«, meinte Herbstgeborener kopfschüttelnd. »Wirklich für Undefiniert. Wir glauben, bei Gott handle es sich um die Endphase der Entwicklung intelligenten Lebens im Universum. Mit sehr simplen Worten heißt das …« Einen Moment geriet er ins Stocken. »In der fernen Zukunft werden intelligente Wesen nicht länger an den physischen Körper gefesselt sein. Alle intelligenten Rassen werden eins und zugleich unterschiedlich sein in der gewählten Form ihrer Existenz. Ohne ihre Individualität einzubüßen, fließt der Verstand eines jeden Einzelnen in ein großes Ganzes ein, alle zusammen bilden ein Meta-Bewusstsein, das weder durch Raum noch Zeit geknechtet ist. Das ist Gott, der Schöpfer von allem, Alpha und Omega, Anfang und Ende, das Gesamte und das Einzelne. Er nimmt alles Sein in sich auf. Er schafft das Universum.«
Kadrach stieß ein verächtliches Schnauben aus.
Martin hüstelte. »Aber alle Religionen stellen sich Gott anders vor …«, bemerkte er.
»Deshalb ist Gott ja auch nicht zu definieren«, wiederholte Herbstgeborener. »Ja, Er existiert, Er schuf die Welt, Er ist ewig und steht außerhalb der Zeit. Aber für uns, die wir in der Zeit leben, ist Gott noch immer nicht definiert. Wenn der Glaube der Menschen obsiegt, dann bekommen wir den Gott der Menschen, bekommen wir ihn so, wie ihr Ihn seht. Wenn der Glaube der Geddarn Verbreitung findet, bekommen wir ihren Gott.«
»Und wenn die Weltanschauung der Aranker gewinnt?«, fragte Martin.
»Dann wird es keinen Gott geben«, bestätigte Herbstgeborener. »Du hast es erfasst!«
»Quatsch«, brummte Kadrach. »Gott gibt es, das weiß ich. Und der Schatten, den Sein Licht wirft, ist der Prophet ThaiGeddar, der vor weniger als tausend Jahren in unserer Welt gelebt hat. Gott ist zu groß, als dass wir Ihn verstehen könnten, ebendeshalb ist ThaiGeddar zu uns gekommen, der Lichtgeborene, der Schatten an der Wand des Seins, der Geddar und Gott, der unserem Begreifen und unserer Verehrung zugänglich ist. Er schuf Wunder, von denen Augenzeugen berichteten, seine Vorhersagen erfüllten sich und werden sich auch fürderhin erfüllen. Es gibt nur Gott und ThaiGeddar, Seinen Schatten!«
»Ja«, nickte Herbstgeborener. »Es gibt nur den Gott der Geddarn und ThaiGeddar, Seinen Schatten! Das Schwert des ThaiGeddars trennte den Raum von der Zeit, die Ordnung vom Chaos. Das Schwert des ThaiGeddars kappt den Faden unseres Lebens, und auf der Scheide Seines Schwerts machen wir uns in ein neues Sein auf. Aber es gibt auch den Gott der Menschen, dessen Sohn auf die Erde herniederkam, es gibt den Gott der Oulua und die warmen Wasser Seines Schlafs …«
»Hör auf!«, schrie Kadrach. »Es steht dir frei, jeden Humbug zu glauben, aber ich lasse es nicht zu, dass du Gott lästerst!«
»Ich werde schweigen«, erklärte Herbstgeborener sich bereit. »Die grundlegende Idee habt ihr ohnehin begriffen.«
»Habt ihr auch einen eigenen Glauben?«, fragte Martin.
»Selbstverständlich«, sagte Herbstgeborener. »Ich habe ihn bereits dargelegt.«
»Nein.« Martin schüttelte den Kopf. »Du hast die philosophischen Grundlagen eures Glaubens dargelegt. Soweit ich es verstanden habe, erkennt ihr die Rechtmäßigkeit einer jeden Religion an. Aber ihr müsst doch bereits vor dem Auftauchen der Schließer, der Großen Tore und der Fremdplanetarier an etwas geglaubt haben.«
»Selbstverständlich haben wir das«, brachte Herbstgeborener nach kurzem Zögern hervor. »Interessieren dich die Details denn wirklich? Möchtest du etwa unseren Glauben annehmen?«
»Nicht unbedingt«, räumte Martin ein. »Aber natürlich interessiert mich das sehr, nur wollen wir jetzt keine Zeit mit diesem Thema verlieren. Das werde ich ganz bestimmt alles später in Erfahrung bringen. Jetzt erkläre uns lieber, was das Tal Gottes ist.«
»Es ist ein großes Tal in den Bergen, in dem die Tempel der größten religiösen Kulte der Galaxis liegen«, führte Herbstgeborener mit einem Lächeln aus. »Das ist also ganz einfach.«
»Kannst du dir vorstellen, warum Irina sich dorthin begeben hat?«
Einen ausgedehnten
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