Spektrum
Martin, »dass ich Privatdetektiv bin.«
Das ältere Ehegespann nickte so energisch und wissend, dass unmissverständlich klar wurde: Sie glaubten Martin nicht ein Wort.
»Die Frau, die hier hergekommen ist, begeistert sich für Theologie«, vermengte Martin sorglos Wahrheit und Lüge. »Sie möchte die Existenz des Schöpfers nachweisen. Für diesen Zweck bräuchte sie eine Religion, die ein unstrittiges und unanfechtbares Wunder wirken kann. An wen könnte sie sich mit diesem Problem gewandt haben?«
»Unser Glauben fällt damit natürlich weg«, sinnierte Claus. Welch tiefe Zweifel er Martin gegenüber auch hegen mochte, die Frage interessierte ihn. »Erlauben Sie, dass ich kurz meinen Tabak hole …«
»Bedienen Sie sich doch!«, lud Martin ihn großzügig ein, indem er seinen Rucksack öffnete. Als er ein Päckchen holländischen Mac Baren herauszog, erstrahlte auf Clausens Gesicht ein unverfälschtes Lächeln. Er bot Martin sogar seine Gastpfeife an, worauf beide Männer schon im nächsten Moment genussvoll den aromatischen Tabak schmauchten. Nach kurzem Zögern schloss sich ihnen auch Elsa an, die sich aus dem Haus eine kleine Pfeife mit langem Holm holte. Mucksmäuschenstill saß die Alte bei ihnen, folgte dem Gespräch jedoch mit gespannter Aufmerksamkeit.
»Ein Wunder, also ein Wunder …«, dachte Claus laut nach. »Sie müssen wissen, selbst ein so sonderbarer Glaube wie jener der Dio-Daos negiert die Wiederholbarkeit und Voraussagbarkeit von Wundern. Faktisch widerspräche die Möglichkeit, ein Wunder zu wirken, indem man bestimmte Rituale vollzieht, jeder Religion, würde diese damit doch in Schamanismus oder Magie verkehrt werden. Man darf den Schöpfer nicht als Maschine betrachten, welche als Antwort auf die Gebete der Gläubigen die eine oder andere Handlung ausführt. Moses erhielt von Gott seinen Stab und die Gabe, Wunder zu wirken, dies freilich nur, um den Willen des Herrn zu vollziehen. Christus konnte ein jedes Wunder wirken, doch als Gott erlegte Er sich selbst Grenzen auf … Hätte Er auf die Bitten der Apostel gehört, läge die Macht in Judaä … Wenn wir den Buddhismus nehmen, haben wir keine Grundlage, auf ein Wunder zu hoffen. Betrachten wir den Islam …«
»Mir ist bereits klar, dass die Religionen der Erde nicht in Frage kommen«, sagte Martin. »Aber die Frau glaubt, ein anderer Glaube böte ihr eine Perspektive. Ich bin überzeugt davon, dass sie sich bereits im Tal Gottes eingefunden hat. Dort wird sie die Geistlichen in einem der Tempel überreden, ihr zu helfen. Mir fehlt die Zeit, das gesamte Tal zu durchstreifen … Daher bitte ich Sie, mir einen Rat zu geben!«
Claus und Elsa sahen sich an.
»Ein sehr netter junger Mann«, urteilte Elsa. »Sie sind Christ?«
Martin nickte.
»Vielleicht könntest du ihm helfen, Claus?«, schlug Elsa vor. »Und sei es nur ein wenig?«
Für einen Maler zeigte sich Claus in Fragen der Theologie recht beschlagen. Nachdem er rund zwanzig Sekunden nachgedacht hatte, skandierte er: »Gat’tscher.«
»Wie bitte?«, rief Martin aus, der beinahe die Tasse umgekippt hätte.
»Der Glaube der Geddarn«, erklärte Claus. »Er kennt die Figur eines Messias, den ThaiGeddar, der …« Er versank in Gedanken. »Man kann nicht sagen, dass er Gott ist, aber er ist mehr als ein Prophet … Sagen wir es so: Der ThaiGeddar ist jener Teil … nein, kein Teil … jene Seite des Schöpfers, die der Mensch erfassen kann … ich meine, der Geddar. Er ist ein Modell, eine Analogie, eine Projektion …«
»Der Lichtgeborene, der Schatten an der Wand des Seins …«, murmelte Martin. Als er Clausens Blick auffing, begriff er, dass seine Chancen, als Privatdetektiv zu gelten, nunmehr gegen null tendierten.
»Sie wissen ja selbst recht gut Bescheid«, bemerkte Elsa lächelnd.
»Ich habe einen Freund. Er ist Geddar und hat mir einiges erzählt …«, versuchte Martin sich zu rechtfertigen.
Natürlich glaubten sie ihm keinen Deut.
»Aber schließt der Glaube der Geddarn denn wirklich die Vorhersagbarkeit von Wundern ein?«, fragte Martin.
»Ihre Religion ist verhältnismäßig jung und aktiv«, antwortete Claus. »Die Geddarn sind an strenge Kodizes wechselseitiger Beziehungen gebunden. Ihre Gesellschaft ist noch stärker strukturiert als die japanische, um nur ein Beispiel zu nennen. Diese Kodizes, diese Verpflichtungen gegenüber anderen, schlagen sich teilweise auch in ihren Beziehungen zu Gott nieder. Es gibt verschiedene Versprechen des ThaiGeddars,
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