Spektrum
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Martin merkte sich vor, später das Risiko einzugehen und sich auf einem fremden Planeten maniküren und die Haare schneiden zu lassen. Letzten Endes verleihen erst solche Abenteuer dem Leben seine besondere Würze.
Zunächst galt es freilich, Erdenmenschen zu suchen, weshalb er seinen Weg zu dem Anwesen fortsetzte.
Martins Instinkt hatte ihn nicht getäuscht. Es handelte sich tatsächlich um ein Haus von Menschen, erbaut aus rotem Ziegelstein, gedeckt mit Dachschindeln und versehen mit großen Fenstern sowie einer geräumigen Loggia im ersten Stock. Vor dem Haus erstreckte sich ein kleiner Garten, in dem Martin gerührt die grünen Triebe von Zwiebeln, rot durch das Polyethylen des Gewächshauses hindurch schimmernde Tomaten und – Wunder über Wunder! – einige blühende Apfelbäume gewahrte.
Auf einer kleinen Bank vor dem Haus saß eine stille, grau gelockte Alte mit Strickzeug in der Hand, die ein leuchtend gelbes Kleid trug. Sie sah Martin durch dicke Brillengläser an, lächelte und erhob sich, um ihn zu begrüßen.
»Guten Abend, Frau …«, begrüßte Martin sie verlegen. Die wenigen in seinem Gedächtnis abgespeicherten deutschen Worte waren damit aufgebraucht.
»Oh, guten Abend, mein Herr!«, erwiderte die Alte den Gruß. »Verzeihen Sie, ich bin Holländerin und habe schon seit ewigen Zeiten kein Deutsch mehr gesprochen … Haben Sie etwas dagegen, wenn wir zum Touristisch überwechseln? Ich bin Elsa.«
»Gern«, freute sich Martin.
»Claus!«, rief die Alte. »Claus, wir haben Besuch!«
Aus einem offenen Fenster im ersten Stock lugte der kahle Kopf des Alten hervor. Sobald er Martin sah, strahlte er und verschwand wieder.
»Setzen Sie sich, setzen Sie sich doch«, schnatterte die Frau. »Was hat Sie nach Fakiu verschlagen, mein Herr?«
»Ich … reise mit Freunden …«, stotterte Martin. »Ich bin eben mit dem Zug angekommen … wir suchen eine junge Frau, die sich ins Tal Gottes begeben wollte …«
»Ich fürchte, da werde ich Ihnen nicht helfen können, mein Herr«, bedauerte die Frau aufrichtig. »Wir haben hier nicht eine einzige junge Frau. Aber in meiner Mikrowelle wird gerade ein prächtiger Strudel fertig, und wenn Sie sich zu uns setzen und einen Tee trinken wollen …«
»Mit Vergnügen«, sagte Martin. Selbstredend ging es ihm dabei nicht um den Strudel.
Jetzt tauchte auch Claus auf. Bei ihm handelte es sich um einen aufgeräumten Mann, der sich rasch die mit Farbe beschmierten Hände abwischte. Als Martin ihn mit Handschlag begrüßte, erklärte der Alte unverzüglich, er sei Maler, lebe hier schon seit sieben Jahren, denn dieser Ort inspiriere ihn, wohingegen ihn die Theologie nicht interessiere, und er freue sich sehr, mit einem Landsmann zu plaudern.
Das Wort »Landsmann« gewann hier in der Tat einen besonderen, einen triumphierenden, einen großen Klang.
Martin erkundigte sich danach, ob viele Menschen in dem Städtchen lebten. Mit Genugtuung nahm er die Bestätigung seiner Vermutung zur Kenntnis. Hier lebten ein italienischer Botaniker, der mit der lokalen Flora experimentierte, ein amerikanischer Soziologe, der den Alltag der Dio-Daos studierte, ein chinesisches Paar, das ein kleines Geschäft, einen Friseursalon und eine Waschküche für Außerirdische unterhielt, ein Dichter arabischer Herkunft und ein junger Japaner, der sich auf Fakiu vor der Yakuza versteckte.
Russen gab es, wie Martin bereits angenommen hatte, nicht. Die Auslandsspionage litt unter permanenten Finanzierungsproblemen, die russisch-orthodoxe Kirche wollte dem Beispiel des Vatikans nicht folgen und sandte nicht einmal einen »Botaniker« ins Tal Gottes.
Martin trug sich indes gar nicht mit der Absicht, sämtliche Vertreter des Geheimdienstes oder der religiösen Konfessionen der Erde kennenzulernen. Das angejahrte holländische Pärchen, das hier das Vereinte Europa repräsentierte, stellte ihn vollauf zufrieden.
»Sie haben vielleicht schon von diesem Ort gehört?«, fragte Martin beim Tee. Der Tisch war im Garten vor dem Haus gedeckt worden, der Strudel stellte sich als köstlich heraus, der Tee als kräftig und aromatisch. »Werden in dem Tal wirklich alle bekannten Religionen verehrt?«
»Alle großen Religionen«, präzisierte Claus.
»Die Sache ist die«, sagte
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