Spektrum
Etwas rührte sich im hintersten Winkel seines Gedächtnisses … Martin surfte noch ein wenig weiter, legte falsche Spuren und informierte sich über den Aufenthalt von Homer Heifetz in der Welt der Dio-Daos. Danach schaltete er das Handy ab und erhob sich. Er holte sich das Werk von Garnel und Tschistjakowa, öffnete die Roten Seiten und fand Bessar fast auf Anhieb.
Auch eine Erwähnung Heifetz’ fehlte nicht. Freilich wurde er nur als glücklicher Abenteurer und selbstherrlicher Dilettant bezeichnet, was bei dem gediegenen Nachschlagewerk unflätigem Marktgeschrei gleichkam. Dennoch mussten selbst Garnel und Tschistjakowa die Verdienste Heifetz’ bei der Erforschung Bessars anerkennen.
Eingehend betrachtete Martin eine Zeichnung, die einen erwachsenen Bessarianer neben einem Menschen zeigte, und stimmte danach seinen beiden Lieblingsautoren zu: Heifetz musste ein selbstherrlicher Idiot gewesen sein. Martin hatte bislang noch keine Welten aus der Roten Liste besucht, selbst auf Planeten der Gelben war er nur zweimal für kürzere Aufenthalte gewesen, was ihm in höchst unangenehmer Erinnerung geblieben war.
Erneut griff er nach dem Briefumschlag, um sich die Adresse aufmerksam anzusehen. Sie sah aus, als sei sie von einem gedruckten Text kopiert worden – und zwar von einem Wesen, das dafür weder die geeigneten Augen noch die geeigneten Hände hatte.
Es musste schön sein, ein Bessarianer zu sein. Für sie gab es quasi keine Rote Liste.
»Nein, nein und nochmals nein«, sagte Martin und erhob sich. Er reckte sich und schüttelte abermals den Kopf. »Ich werde mir jetzt wohl noch einen klitzekleinen Kognak besorgen …«
Die leere Wohnung schwieg ihn an.
Im Arbeitszimmer entnahm Martin seinem Schreibtisch ein kleines schweres Paket, das dort seit ewigen Zeiten lag. Er steckte es in die linke Jackentasche, während er in der rechten – auf alle Gesetze pfeifend – den Revolver und eine Handvoll Patronen verstaute. Den Auslandspass trug er ohnehin immer bei sich.
Das Licht schaltete Martin nicht aus. Die Kognakflasche verkorkte er, die Nikolaschkas musste er vertrocknen lassen. In einer Hand hielt Martin eine leere Tüte, in der anderen den Müllbeutel. So ausstaffiert, verließ er das Haus.
Niemand weckt bei seinen Beobachtern geringeren Verdacht als ein Mann, der sich im Eifer eines Besäufnisses ein weiteres Fläschchen besorgt und noch dazu beschließt, die Gelegenheit zu nutzen, um den Müll rauszubringen.
In einem Geschäft, das rund um die Uhr geöffnet hatte, bedachte Martin die angebotenen Kognaksorten mit pingeligem Blick, verwarf wider besseres Wissen den durchaus passablen georgischen Kognak, beklagte das geringe Angebot an armenischem, äußerte seine Meinung über die französische Kellerei, wobei er abermals leicht von der Wahrheit abwich. Der ihm nachfolgende Bürger, der umständlich ein Päckchen Zigaretten wählte, hörte gebannt zu. Dem kritischen Birnenkäufer, der Martin bei seinem letzten Ausbruch aus der Wohnung aufgelauert hatte, glich er in Umständlichkeit und Konzentration.
Innerlich dankte Martin Juri Sergejewitsch für derart ungeschickte und auffällige Beobachter.
Als er ohne Einkäufe aus dem Geschäft trat, hielt Martin ein Auto an und ließ sich von ihm zum Supermarkt Siebter Kontinent bringen. Dortselbst überlegte er sich die ganze Sache noch einmal und bat den Fahrer, ihn zur Metrostation Kropotkinskaja zu bringen, wo es »ein ganz einmaliges kleines Weingeschäft« gebe.
Hier, in der Nähe der Station, konnten sie ihn noch schnappen. Deshalb gab Martin es auf, den betrunkenen Gourmet auf der Suche nach einem seltenen Tröpfchen zu mimen, sondern sprang in das »einmalige kleine Geschäft« und kaufte eine Flasche Achtamar, steuerte geradewegs auf die Station zu, auf das pulsierende Licht des Leuchtturms, das sich in der hauptstädtischen Beleuchtung freilich kaum abhob. Obgleich die Schließer verlangten, jeden ungehindert zur Station durchzulassen, flanierten in den langen Zufahrtsstraßen immer Agenten in Zivil, die die Menge nach potenziellen Missetätern abspähten. Alles würde nun davon abhängen, ob Martins Bild bereits zur Fahndung ausgegeben worden war oder nicht.
Schließlich hatte er nicht vor, sich den Zugang zur Station zu erkämpfen. In der Trommel seines Revolvers steckten nicht einmal Patronen.
Juri Sergejewitsch hatte ihm nichts vorgemacht, niemand hielt Martin auf. Keine kräftigen jungen Männer packten ihn unterm Arm, niemand bat ihn,
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