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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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anderen Wert angegeben wurde, Welten, in denen die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum nicht konstant war, Welten, in denen weder Säuren noch Laugen existieren konnten, und Welten, in denen ein Perpetuum mobile der zweiten Art funktionierte. Kurzum, es gab viele Welten, in die ein Mensch besser nicht vordrang. Im Vergleich mit ihnen nahm sich Bessar noch recht harmlos aus.
    Als Martin den Finger schon auf »Eingabe« legen wollte, zögerte er. Nie zuvor hatte er sich über die Geschichte für die Rückkehr Gedanken gemacht. Kommt Zeit, kommt Rat … Sollte es ihm wirklich einmal nicht mehr gelingen, den Schließern etwas Interessantes zu erzählen?
    Jetzt packten ihn Zweifel. Grundlose, gleichwohl nicht minder schwere Zweifel.
    Was sollte er erzählen, wenn er sich auf Arank wieder in die Station begab?
    Vielleicht die Geschichte von der Prinzessin und dem Henker? Nein, die hatte er schon vor einem halben Jahr zum Besten gegeben. Den Anfang hatte er überstürzt vorgetragen, danach lief es besser …
    Die Geschichte von dem Vogel, der nicht singen wollte? Bei ihr wusste Martin noch nicht, wie sie enden sollte.
    Die Parabel vom Glas und Glasbläser? Die Legende von der Reise zum Anfang des Lichts? Die Sage vom Einsiedler und vom Kaleidoskop?
    Ohne es selbst zu wissen, durchlebte Martin eine Krise, die allen Schriftstellern und Dichtern vertraut ist: Ihm schwirrte ein Dutzend Geschichten im Kopf herum, die er alle gleichermaßen für unvollendet und langweilig hielt. Vielleicht trug daran die Anspannung der letzten Tage die Schuld, vielleicht der vor einer Stunde genossene Kognak – wie auch immer, Panik überfiel Martin.
    Dann war da noch die Frage, was ihm ein ultramoderner Skaphander der Aranker brächte, wenn ihm die Bessarianer nicht zu Hilfe kämen? In diesem Fall würde der Anzug lediglich seinen Todeskampf um einige Tage verlängern.
    Wie er es auch drehte und wendete, letztendlich lief alles auf das alte »Glaubst du’s oder glaubst du es nicht?« hinaus.
    »Man muss glauben«, ermunterte Martin sich selbst und fuhr mit dem Cursor von Arank nach Bessar.
    Schließlich drohte ihm auf der Station keine Gefahr.
    Außer von den Schließern selbst.

Zwei
     
    Mehr als alle andere frappierte Martin der weiche Untergrund.
    Etwas in der Art hatte er erwartet, denn die Schließer übernahmen für die Stationen stets Elemente der lokalen Kultur. Seine Phantasie hatte ihm indes eher Wassermatratzen oder weiche Teppiche vorgegaukelt als diese Substanz aus hellem und dunklem Blau, diese Geleemasse, die den Boden bedeckte.
    Unter Martins Gewicht gab die Substanz nach, bog sich durch, während langsame, träge Wellen über sie hinwegschwappten. Martin konnte sich nicht beherrschen – und sprang auf der Substanz herum, die daraufhin erst einen Trichter bildete, um sich anschließend nach und nach unter seinen Füßen wieder zu glätten. Schließlich hockte er sich hin und versenkte die Hand in die Substanz.
    Die kalte Sülze an seinen Fingern nahm sich keinesfalls unangenehm aus. Die Substanz nässte die Haut nicht, im Gegenteil, von ihr ging eine leichte Trockenheit aus, als handle es sich um feinen dispersen Staub, Mehl oder Talkum. O ja, vermutlich empfand man etwas Ähnliches, wenn man einen reich mit Talkum bestäubten Gummihandschuh über die Hand stülpte und diese sodann in kalten Matsch tauchte.
    Martin richtete sich wieder auf und schüttelte die Hand, obgleich keine Spuren jener Substanz an ihr hafteten. Anschließend ging er die Gänge der Station entlang, über die zitternden hellblauen Wellen hinweg.
    Die Wände waren borkig, als seien sie aus Bäumen errichtet, seltsamen Bäumen freilich, die verwittert oder mit einem Sandstrahlgebläse bearbeitet worden waren, sodass nunmehr die hauchzarten Adern allesamt offen zu Tage lagen. Riesige Kugellampen an der Decke spendeten ein grelles, hellblaues Licht, das sich vom Sonnenspektrum unterschied und deshalb unangenehm in die Augen stach. Ein fremder Beigeschmack oder Geruch durchströmte die Luft, der von den hölzernen Wänden oder von der dunkelblauen Bodensubstanz herrühren musste.
    Nichts war hier wie bei den Menschen.
    Nichts war hier für Menschen.
    Die für die humanoiden Rasse traditionelle Veranda, auf der die Schließer die Reisenden begrüßten und verabschiedeten, fehlte ebenfalls. Statt dessen machte Martin eine überdimensionale Rampe aus, die zur Oberfläche Bessars hinabführte, zu einem endlosen Meer jener Substanz.
    Die Station auf Bessar glich einer

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