Spektrum
für Martin weder die Zeit noch der Ort, sich an der jungen Frau zu ergötzen.
»Hallo, Irinka!«, sagte er, während er in die Untertasse trat. Im Vergleich zu der Substanz war die Transportkapsel fester und deutlich wärmer.
»Hallo, Martin!«, erwiderte Irina. Aufschluchzend fiel sie ihm um den Hals. Das kam so überraschend, dass Martin vollends die Fassung verlor. Täppisch fing er an, der Frau über die Schultern zu streicheln, murmelte etwas Dummes und schielte sogar beschämt zu dem Bessarianer hinüber.
Die Amöbe zog Grimassen – anders konnte Martin es nicht ausdrücken. Sie tänzelte vor den Schließern herum, fuhr Beine, Arme und den Schwanz aus und modellierte sich transparente Schuppen und Fell, sodass sie für einen Moment an eine gläserne Kopie eines Schließers erinnerte. Die Amöbe stieß leise Grunzgeräusche aus und hätte beinahe mit der Pseudohand eine unanständige Geste geformt. Als sie Martins Blick auffing, stellte die Amöbe den Tanz ein und glitt zurück, wobei sie im Kriechen die Stimmmembran auf den »Rücken« schob und kundtat: »Die gefallen mir eben nicht! Das ist doch wohl mein gutes Recht, oder?«
»Äh … klar«, bestätigte Martin, der Irina immer noch im Arm hielt.
»Wollt ihr Mitose machen?«, fragte der Bessarianer, nachdem er geschwind die Situation abgeschätzt hatte. »Störe ich euch?«
»Hör auf damit, Pawlik!«, bat Irina und löste sich mit einer abrupten Bewegung von Martin. »Was soll mein Freund denn von dir denken?!«
»Na, was denn?«, fragte der Außerirdische zurück, während er in die Mitte der Untertasse schlingerte. »Ist doch nichts. Ich mach doch nur Spaß …«
»Pawlik?«, wandte sich Martin an Irina.
»Er muss doch irgendwie heißen, oder?«, antwortete Ira mit einer Gegenfrage. »Er hat auch einen richtigen Lautnamen, der aber unmöglich auszusprechen ist … Entschuldige. Ich hatte schon fast nicht mehr darauf gehofft, dass du kommst. Nach allem, was geschehen ist …«
Natürlich verfinsterte sich ihre Miene bei diesen Worten, allerdings keinesfalls so, wie es zu erwarten gewesen wäre, wenn jemand all diese Erinnerungen durchlebt.
Martin blickte sich um.
»Suchst du etwas?«, wollte Irina wissen.
»Ja. Das, was dich umbringen wird«, erklärte Martin. Er zog den Revolver aus der Tasche und lud ihn.
»Ich glaube nicht, dass das nötig ist«, meinte Irina mit einem Blick auf die Waffe.
»Wer weiß? Auf Fakiu hat dich ein guter Bekannter von mir getötet.«
»Der Geddar?« Nun huschte echter Schmerz über Irinas Gesicht. »Ist … ist er auch tot?«
»Ja«, antwortete Martin, ohne näher auf die Details einzugehen. »Ich habe es einfach satt, dich zu bestatten.«
»Ich werde Irina nicht umbringen«, ließ sich hinter ihm der Bessarianer vernehmen. »Du brauchst also nicht auf mich zu schießen. Das tut nämlich sehr weh. Seid ihr bereit?«
»Ja«, sagte Martin, der begriffen hatte, worauf die Frage abzielte.
»Dann los!«, rief die Amöbe fröhlich aus. Der Rand der Untertasse wölbte sich, um sich über den dreien zu einer durchsichtigen Kugel zusammenzuschließen. Noch im selben Moment tauchte die Transportkapsel ab.
Die Zivilisation der Bessarianer benutzte praktisch weder Metalle noch Kunststoffe. Natürlich konnte man sich darüber streiten, worauf ihre Technologie eigentlich beruhte, auf Maschinen oder auf Lebewesen. Viele zogen sich in diesem Zusammenhang mit Termini wie »Biocomputer«, »Biomaschine« oder »Biokunststoff« aus der Affäre. Doch für Martins Geschmack zollten solche Begriffe vornehmlich schlechter Science Fiction Tribut, indem sie versuchten, das Unvereinbare zu vereinbaren. Er selbst sah in der Transportkapsel lieber ein gut dressiertes Tier, das mit einer Kabine aus lebendem Fleisch und einem echten Gehirn verwachsen war. Freilich hatten die Bessarianer von einzelnen Kultbauten abgesehen nie etwas erbaut. Sie zogen es vor, ihre Welt zu züchten.
»Hast du dich über meinen Brief gewundert?«, wollte Irina wissen.
»Das kannst du laut sagen …«, versicherte Martin, während er neugierig in die Unterwasserwelt Bessars spähte. »Was ist das?«
Ein dunkler Schatten, der es von seinen Maßen mit einem jungen Wal aufnehmen konnte, huschte an der Kapsel vorbei.
»Ein Tier?«, schlug Irina unsicher vor. In der Welt Bessars kannte sie sich wohl nicht allzu gut aus.
»Ein Inkubator«, erklärte der Bessarianer höflich.
»Und wer wird darin ausgebrütet?«, erkundigte sich Martin.
»Ich weiß es
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