Spektrum
Mund.
»Soll ich dir mal sagen, was hier eigentlich passiert ist?«, zischte Martin. »Du hast mein Zimmer gefilzt, während ich tief geschlafen habe. Dann bist du ins Zimmer dieser jungen Frau hinübergegangen und hast versucht, sie zu vergewaltigen. Ihre Hilfeschreie haben mich geweckt, und ich konnte gerade noch rechtzeitig kommen, um dich zu erschießen!«
»Ein Vergewaltigungsversuch wird hier sehr schwer bestraft!«, mischte sich Irina plötzlich ein. »Du brauchst ihn also nicht mal zu erschießen.«
»Oh!« Erfreut hob Martin die Stimme und steckte den Revolver in die Halfter. »Ein Vergewaltiger! Bürger Talismans! Ich habe einen Vergewaltiger gefasst!«
»Das ist nicht nötig!«, piepste der Junge.
»Was heißt das?«, rief Martin, der den Jungen jäh zurück auf den Stuhl riss. »Redest du jetzt? Wer hat dich geschickt? Wer sind die?«
»Unten … in der Bar …«
»Gehen wir«, verlangte Martin, der den Jungen hinter sich herschleifte. »Aber fix.«
Der glücklose Einbrecher hatte nicht gelogen. In der ansonsten leeren Kneipe saßen zwei Männer, ein angejahrter Asiate, vielleicht ein Japaner, und ein Mann mittleren Alters, in dem Martin den Vater des pickligen Diebs ausmachte. Auf ihn steuerte Martin denn auch zu, sein Opfer vor sich herstoßend. Die Männer am Tisch wechselten Blicke, standen jedoch nicht auf.
»Folgendes Szenario«, verkündete Martin, der sich vor dem Tisch aufbaute. »Entweder dieser Junge hat versucht, eine Frau zu vergewaltigen. Oder ihr habt ihm geholfen, meine Sachen zu durchsuchen. Im ersten Fall schleppe ich ihn zu den hiesigen Behörden … Vor den Rat der Goldgräber, wenn ich mich nicht irre? Im zweiten reden wir jetzt ganz offen miteinander.«
Hinter Martin tauchte Irina auf. Sie blieb auf der Treppe stehen und ließ den Blick durch den Raum schweifen. In der rechten Hand hielt sie den Schaft der Winchester, was zwar sehr unbequem war, aber äußerst spektakulär aussah.
»Ich hab’s dir ja gleich gesagt«, sagte der Japaner dem Vater des kleinen Diebs mit trauriger Stimme. Dann sah er Martin an. »Es ist nicht nötig, zu den Behörden zu gehen. Ich bin der Vorsitzende vom Rat der Goldgräber.«
»Also reden wir miteinander?«, hakte Martin nach.
»Ja«, nickte der Japaner.
»Für dich ist es Zeit, in die Heia zu gehen«, erklärte Martin dem Dieb und schubste ihn in Richtung Tür. Zu überreden brauchte er ihn nicht, offenbar genossen Vergewaltiger auf Talisman tatsächlich keine allzu große Sympathie. Anschließend setzte sich Martin an den Tisch zu den Goldgräbern und starrte gedankenverloren auf die drei vollen Bierkrüge, die vor ihnen standen. Er griff sich einen und nahm einen tiefen Schluck.
»Zeigen Sie uns den Schlüssel«, bat der Japaner.
»Ich heiße Martin.«
»Ich heiße Oono.« Der Japaner nickte. »Zeigen Sie uns den Schlüssel, Herr Martin. Seien Sie so freundlich.«
Schweigend legte Martin den Schlüssel vor sie hin.
Eine Weile befingerten die beiden Männer die Batterie der Aranker, betrachteten sie im Licht, ja, schnupperten sogar daran. Der Japaner hielt sie sich an die Wange und saß einen ausgedehnten Moment lang reglos da. Dann schüttelte er den Kopf. »Herr Martin, ich glaube, man hat Sie getäuscht. Auf Talisman hat man noch nie Artefakte dieser Art entdeckt. Ich wage sogar zu behaupten, dass es sich hier noch nicht einmal um ein Artefakt handelt.«
»Sie haben mir jetzt sehr höflich erklärt, dass die Frau mich hereingelegt hat.«
»Ich würde diese Möglichkeit nicht ausschließen.«
»Sie haben den Schlüssel schon früher gesehen«, sagte Martin. »Und Sie sind zu dem Schluss gelangt, er sei nichts wert. Weshalb haben Sie dann den Versuch unternommen, ihn zu stehlen?«
»Ich hab’s dir ja gesagt«, meinte der Japaner abermals tadelnd zu dem schweigsamen Goldgräber, bevor er sich wieder Martin zuwandte. »Uns hat irritiert, dass der Schlüssel verkauft wurde. Ich versichere Ihnen, dass wir ihn zurückgebracht hätten, nachdem wir ihn abermals in Augenschein genommen hätten.«
»Nehmen Sie ihn ruhig, das macht mir nichts.« Martin winkte ab. »Das ist nur eine alte Batterie der Aranker. Etwas anderes hat nie jemand behauptet.«
»Ich hab’s dir ja gesagt«, wiederholte der Japaner zum dritten Mal. »Lassen Sie mich Ihnen gratulieren, Herr Martin.«
»Ist das alles?«, verwunderte sich Martin.
»Und nehmen Sie unsere Entschuldigung entgegen«, lenkte der Japaner ein. »Aber hätte es denn keine andere
Weitere Kostenlose Bücher