Spektrum
du in dieser Welt tun? Über Donner und Blitzen gebieten? Einen kleinen Olymp organisieren und schöne Jünglinge dorthin bringen? Oder zur Abwechslung schöne Maiden? Propheten inspirieren und Sünder erschrecken? Du hast die Ewigkeit in der Hinterhand. Das hast du doch nicht vergessen? Du wirst eine Religion nach der nächsten schaffen und zusehen, wie wegen einer nichtigen theologischen Unstimmigkeit deine Schöpfungen einander die Kehle durchschneiden. Danach führen sie sich ein wenig zivilisierter auf, beschließen, dass du eine gute und mitleidige Frau bist – ich weiß absolut nicht, ob die weibliche Form hier angebracht ist – und erobern den Kosmos. Die einen lebenden Spielzeuge treffen die anderen, kratzen sich im Nacken … oder wo hast du ihnen das Hirn eingesetzt? Dann schaffen sie ihr eigenes Talisman. Gewiss, du kannst sie vorsorglich niederhalten. Oder nach allen Regeln der Kunst verprügeln, sobald sie nach Allmacht streben. Nur wozu? Sie werden weinen, die Tränen trocknen und genauso weitermachen wie bisher. Du wirst schließlich keine erbärmlichen und langweiligen Roboter erschaffen, die sich in allem deinem Willen fügen und deren Entwicklung von vornherein Grenzen gesetzt sind … Vor dir wird sich stets eine Mauer erheben, auf der in flammenden Buchstaben steht: ›WOZU? WOZU? WOZU?‹ Und dann schließt du die Augen, ziehst dich in einen kleinen, lauschigen Kokon zurück und machst den Schritt, den man schon vor Milliarden von Jahren von dir erwartet hat. Du verstaust deinen Verstand zusammen mit den Instinkten in einer Rumpelkammer.«
»Du hast natürlich recht«, bekannte Irina leise. »Trotzdem würde ich es gern probieren wollen.«
Sie sah Martin an. Dieser lächelte traurig. »Ich würde es auch gern versuchen«, gestand er. »Darin besteht ja unser Unglück. Aber weißt du, was gut ist?«
Fragend schaute sie ihm in die Augen.
»Wir wissen nicht, was Talisman dazu bringen könnte, für uns zu arbeiten«, fuhr Martin fort. »Auch die Aranker werden es nicht so schnell herausbekommen. Und wenn wir uns auf unsere eigenen Kräfte verlassen, trennt uns noch viel von der Allmacht.«
Schweigend blickten sie einander an. Martins Uhr fiepte erneut. Er wollte sich schon zum Safe beugen, dann lachte er und winkte ab.
»Mir ist kalt«, bemerkte Irina leise. »Gehen wir in die Siedlung zurück?«
Martin zog seine Jacke aus und legte sie Irina um die Schultern. »Gehen wir. Ich würde jetzt gern etwas trinken. Und ich könnte ein ganzes krepiertes Pony essen.«
Sehr spät am Abend – wenn man so wollte, schon nachts – lagen Martin und Irina im Bett und unterhielten sich leise. Es war Irinas Zimmer, das sie teilweise aus taktischen Gründen gewählt hatten – die potenziellen Schlüsseldiebe sollten ja in Martins Zimmer eindringen –, teilweise wegen des Bettes, das hier breiter war.
»Der Schlüssel kann keine materielle Form haben«, wiederholte Irina zum x-ten Mal. »Unter gar keinen Umständen.«
Martin erhob keinen Widerspruch. Mit goldenen Schlüsselchen kann nur der glückliche Burattino, der russische Pinocchio, Türen öffnen. Aber Irina fuhr fort, als müsse sie sich selbst überzeugen. »Jahrtausende war der Planet nicht bewohnt. Das stimmt doch, oder? Er hat weder auf Metall noch auf Plastik reagiert. Also muss es eine Parole sein. Ein Code. Ein Satz auf Touristisch …«
»Doggar hat gesagt, den Planeten hätten nicht die Schließer geschaffen«, brummte Martin, der das Gesicht an Irinas Schulter vergraben hatte. Die Schulter war warm und weich, und er hatte sie nötig – im Gegensatz zu den nächtlichen Spekulationen.
»Dann müssen die Schließer auch das Touristische von den früheren Herren des Universums übernommen haben!«, entkräftete Irina sein Argument. »Gut, also nicht auf Touristisch. Ein gewöhnlicher Gedanke. Ein richtiger Gedanke. Ein … Befehl …«
»Safelein, Safelein in dem Land, gib mir Allmacht an die Hand …«, flachste Martin.
»Du hast ja recht«, seufzte Irina. »Wenn man den Befehl so genau formulieren muss, können wir ewig weiter raten. Nein, es muss etwas anderes sein! Schließlich wurde der Planet nicht aufgegeben, sondern in den Leerlauf heruntergefahren. Also muss man mit dem Erscheinen neuer Abnehmer gerechnet haben.«
»Was für ein gemeines Wort, Abnehmer«, kommentierte Martin, während er sich im Bett aufsetzte. »Hast du etwas dagegen, wenn ich eine rauche, Irka?«
»Stell dich ans Fenster«, verlangte Irina. »Oh, wenn
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