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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Scheuklappen. Hier muss junges Blut her, dann wird Talisman seine Geheimnisse auch offenbaren …«
    »Vielen Dank«, sagte Martin.
    »Keine Ursache, war doch nicht der Rede wert …«, winkte Juri ab. »Willst du noch einen Kognak?«
    »Ich bedanke mich nicht für den Kognak«, stellte Martin richtig. »Sie haben mir die Augen geöffnet. Allerdings würde ich zu einem weiteren Schlückchen nicht nein sagen.«
    Der Wirt schenkte ihm ein wenig nach. »Den Knopf drück aber nicht noch einmal«, drohte er Martin streng mit dem Finger. »Das ist der Alarm, du Esel! Wenn mich Banditen überfallen.«
    »Ist das schon mal passiert?«, fragte Martin.
    »Hier ist alles ruhig«, wich Juri aus. »Gut, ich hau mich noch mal aufs Ohr. Der Nebel wird ja schon hell …«
    Martin sah zum Fenster hinaus, konnte in dem von Laternen beleuchteten milchigen Dunst jedoch keine Veränderungen bemerken. Vermutlich musste man Jahre hier leben, um den Morgen durch die dichte Nebeldecke hindurch zu spüren.
    Juri war gegangen. Die Tasse Kaffee, die er doch nicht angerührt hatte, erkaltete langsam auf dem Bartresen. Martin nahm sie sich und trank den Kaffee, der kaum noch warm und damit unangenehm war. »Wir tragen Scheuklappen …«, brummte er, während er hinausschaute.
    Ein leichter Schauder durchzuckte ihn, der nicht von der Kälte herrührte, denn Talisman bot ein stabiles Klima. Aufregung erzeugte ihn. Da lagen die bitteren Früchte vom Baum des Lebens am Boden herum, und niemand sammelte sie ein!
    »So einfach kann es doch gar nicht sein«, sagte Martin sich selbst, um sich dann ebenfalls selbst zu erwidern: »Aber anders kann es nicht sein.«
    Schnellen Schrittes lief er die Treppe hoch, öffnete Irinas Zimmertür, die nicht abgeschlossen war. Auf Zehenspitzen trat er an ihr Bett heran.
    »Du?«, fragte die Frau verschlafen.
    »Ja«, flüsterte Martin. Seine Müdigkeit war gänzlich verflogen. »Irina, wir haben den Wald vor Bäumen nicht gesehen!«
    »Was für einen Wald?« Irina wühlte im Bett. Sie sah auf die hellgrün leuchtenden Ziffern ihrer Uhr. »Hör mal, ich bin gerade eingeschlafen …«
    »Ich weiß, wie wir die Safes aktivieren können«, sagte Martin. »Brauchst du immer noch Zauberstiefel?«
    Licht flammte auf. Irina setzte sich im Bett auf. Unverwandt sah sie Martin an. »Bist du betrunken?«
    Lächelnd schüttelte Martin den Kopf. »Nein, und ich habe es auch nicht vor. Ich bin trunken vor Begeisterung. Und natürlich vor Angst.«
    »Wie?«, rief Irina. Ihre Augen funkelten.
    »Oh!« Martin brach in schallendes Gelächter aus. »Das ist ein schreckliches Geheimnis, das die Weisen von Shambala viele Jahrtausende gehütet haben. Dann stahlen die hinterhältigen Freimaurer das Geheimnis, doch ein russischer Oligarch kaufte es ihnen für ein ordentliches Sümmchen ab …«
    »Komm schon, Martin!« Irina sprang aus dem Bett und fing an, sich hastig anzuziehen. »Spann mich nicht auf die Folter, sondern erzähl mir alles …«
    Mit einem Mal erstarrte sie, halbnackt, die Bluse in der Hand. Forschend blickte sie Martin an. »Du willst nicht reden?«, fragte sie. »Du willst das für dich behalten?«
    Und einen endlos kurzen Moment lang verspürte Martin in sich den Drang zu zischen: ›Ja, das ist meins! Geteilte Allmacht ist keine Allmacht!‹
    »Alles ist ganz einfach«, sagte Martin, die Versuchung fortjagend. »Du wirst lachen, so einfach ist es! Den Arankern käme es nie in den Sinn, sie sind zu intelligent dafür … und sie kennen keinen Aberglauben.«
    »Stopp!« Irina stürzte plötzlich zum Fenster. Sie stieß die Flügel auf, worauf Nebel in das Zimmer wogte. Er war in der Tat schon hell und von der aufgehenden Sonne erwärmt. »Martin!«
    Aus der Ferne drang ein gleichmäßiges Getöse heran. Und es näherte sich, verstärkte sich.
    »Was ist das?«, Martin eilte ans Fenster. Er umarmte Irina. Einige Sekunden standen sie da, den Blick auf den trüben Schleier gerichtet. Stimmen ließen sich vernehmen, es waren noch andere Gäste des Krepierten Ponys aufgewacht. Fenster klapperten. Jemand verlangte mit gepeinigter Stimme, man solle ihm doch wenigstens etwas Ruhe gönnen.
    »Die Aranker haben keinen Aberglauben«, flüsterte Irina. »Aber Hubschrauber. Martin!«
    Entsetzt sahen sie einander an.
    »Sie spionieren den Goldgräbern nach«, wiederholte Martin die Worte des Japaners. »Diese Schweine … mit ihrer Technik können sie selbst in einem Staubkorn eine Wanze verstecken … und das Staubkorn auf die Kleidung

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