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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Irotschkas Porträt musterte, überzog sich sein Gesicht langsam mit Röte. »Willst du mich verarschen?«, fragte er schließlich.
    »Kennen Sie sie?«
    Der Sheriff schlug einen dicken, in Leder gebundenen Kalender auf. »Freitag, 12. Oktober, 14.30«, las er vor. »Irina Poluschkina, Russland. Sie hat hier gesessen, auf Ihrem Platz! Ein gut erzogenes Mädel, das unverzüglich zu mir gekommen ist, denn so gehört es sich.«
    »Also …« Martins Verwirrung war echt. »Das habe ich nicht gewusst.«
    Mit einem Mal ging ihm auf, dass er es auf Bibliothek verabsäumt hatte, in Erfahrung zu bringen, wann Irina eigentlich angekommen war. Am Freitag? Oder erst am Samstag?
    »Sie hat sich vorgestellt und mich über den Planeten ausgefragt … ein höfliches, anständiges Mädel …« Der Sheriff schien Martin zu glauben. »Dann hat sie uns also gleich wieder verlassen? Dabei hatte ich den Eindruck, das Mädel wollte länger bleiben.«
    Martin breitete die Arme aus. »Was genau hat sie denn interessiert?«, fragte er.
    »Die Indianer.« Der Sheriff schnaubte. »Die Ruinen.«
    »Was für Ruinen?«, hakte Martin gleich nach.
    »Vor drei Monaten haben Fährtensucher im Vorgebirge in der Nähe der Silbermine Ruinen entdeckt. Entweder stammen die von einer alten Indianerstadt oder …« Der Sheriff ließ den Satz unbeendet, da es ihm offenbar widerstrebte, als Erklärung etwas derart Banales wie die Altvorderen aufzutischen. »Nichts von Interesse, glauben Sie mir. Wir haben der Erde Mitteilung gemacht, daraufhin sind drei Wissenschaftler zu uns gekommen. Die graben da jetzt noch, ziehen aber schon lange Gesichter. Das Zeug ist alt, kaputt … Steinwände, ab und an mal eine Scherbe. Ich habe gedacht, das Mädel wollte da hin. Anscheinend ist sie aber doch wieder weg …«
    Der Sheriff versank in seine Gedanken.
    »Hat sie sich mit jemanden unterhalten?«, fragte Martin.
    »Wir sind kein Dorf, sondern eine große Stadt«, wies ihn der Sheriff scharf zurecht. »Zwanzigtausend Seelen, und jeden Tag gibt’s ein Dutzend Neuankömmlinge.«
    Zu Martins Genugtuung unterteilte der Sheriff die Bevölkerung nicht in Menschen und Außerirdische.
    »Dann treiben sich hier noch einige Hundert Indianer rum«, fuhr der Sheriff fort, damit den guten Eindruck zunichte machend. »Die kann man ja wohl nicht alle kontrollieren?«
    »Schon verstanden«, brummte Martin. »Das ist eine Sackgasse. Aber wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern versuchen herauszubekommen, mit wem Irina hier Kontakt hatte.«
    »Hab nichts dagegen«, grummelte der Sheriff. »Keine Ahnung, was Sie sich davon versprechen … wo das Mädel doch tot ist … aber viel Erfolg.«
    Er erhob sich, streckte die Hand aus und gab damit unmissverständlich zu verstehen, dass das Gespräch beendet sei. Da Martin sich ohnehin irgendwo hinsetzen und in aller Ruhe über das Gehörte nachdenken wollte, erhob er keinen Widerspruch.
    »Hey, Martin aus Russland …«, rief ihm der Sheriff hinterher, als Martin schon an der Tür stand. »Ich bin Glenn.« Martin nickte, lächelte und verließ das Office.
     
    Nun, nachdem Irinas letzte Worte eine eindeutige Erklärung erhalten hatten, hielt Martin nichts mehr auf Prärie 2. Ohne Zweifel war die Poluschkina zunächst nach Prärie gekommen, um das Geheimnis der alten Ruinen zu enthüllen. Doch nachdem sie mit dem Sheriff gesprochen hatte, hielt sich die junge Frau in aller Nüchternheit ihre Chancen vor Augen und beschloss, statt alte Scherben auszugraben, das Geheimnis von Bibliothek zu entdecken, worauf sie sich zurück zur Station begab.
    Klang das logisch?
    Durch und durch.
    Mithin könnte er jetzt ihrem Beispiel folgen. Er könnte aber auch im hiesigen Hotel übernachten und erst am nächsten Tag nach Hause zurückkehren. Denn wie weit er das Ganze auch hinauszögern mochte, er käme nicht umhin, Ernesto Poluschkin die traurige Nachricht zu überbringen.
    Etwas hinderte Martin indes, den nahe liegenden Weg einzuschlagen.
    So wandte sich Martin zunächst an die Erste Nationalbank auf Prärie 2. Unter dem aufmerksamen Blick von zwei Wachtposten sprach Martin einen Banker an, der ihm erklärte, irdisches Geld sei hier nicht in Umlauf und man akzeptiere ausschließlich Kreditbriefe der ständigen Vertretung von Prärie 2 in New York – ein erstaunlicher Euphemismus für eine Botschaft. Natürlich besaß Martin selbige nicht, weshalb er sich, dem Rat des Bankers folgend, zum städtischen Supermarkt begab. Dort stellte er sich in der

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