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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sich leichter.
    »Du hast dich als der Stärkere erwiesen«, brachte der Aranker hervor. Seine Pupillen krampften sich merkwürdig zusammen, gleichsam im Takt rasenden Pulses. Martin ließ den Blick über den Aranker gleiten – und erzitterte. Eine lange feine Glasscherbe hatte sich dem Mann in die linke Brust gebohrt …
    Soweit Martin wusste, lag das Herz bei Arankern genauso selten auf der rechten Seite wie bei Menschen. Kopfschüttelnd erhob er sich. Der unglückliche Bursche dauerte ihn. Trotz allem, was gerade vorgefallen war.
    »Adeass-kan, du hättest nicht zu schießen brauchen«, flüsterte Irina, die sich über den Aranker gebeugt hatte. »Sei tapfer, ich rufe den Notarzt …«
    »Das ist zu spät, ich sterbe«, hauchte der Aranker. »Irina-kan, es war mir ein Vergnügen, mit dir zusammen zu arbeiten.«
    Martin erschauderte.
    »Meine Herzkammern sind zerrissen, der Hirntod setzt in zwei, drei Minuten ein«, konstatierte der Aranker sachlich. »Jetzt finde heraus, ob ich eine Seele habe.« Mit einem Mal lächelte er. »Und wenn das der Fall ist, bete für mich zu eurem Gott.«
    »Adeass!«
    »Bring mich in den Detektorenraum …« Die Stimme des Arankers brach. »Das ist … mein letztes … Geschenk …«
    Er hob die Hand, worauf Martin einen winzigen Metallgegenstand erblickte. Einen winzigen Gegenstand mit einem winzigen Lauf, der auf Martin zielte …
    Mit einem Mal dehnte sich die Sekunde zur Ewigkeit. Unverwandt starrte Martin auf die enge Mündung und grübelte darüber nach, wie sein Tod sich anfühlen würde.
    »Nein!« Heftig umschloss Irina die Hand des Arankers. »Nein!«
    »Zu spät …«, wisperte der Aranker, und seine Augen schlossen sich. Unwillkürlich sank der Arm nach unten, der kleine Metallgegenstand, der kaum an eine Waffe gemahnte, kullerte über den Boden.
    Irina erhob sich. Sie war weiß wie die Wand, doch ihre Stimme hatte ihr Volumen zurückgewonnen: »Helfen Sie mir!«
    »Was?«, fragte Martin begriffsstutzig.
    »Haben Sie nicht gehört, was er gesagt hat? Uns bleiben nur wenige Minuten! Das ist der letzte Wille eines Sterbenden.«
    Etwas schwang da in ihrer Stimme mit. Eine überraschende Kraft und echte Sehnsucht … Martin vergaß sogar, den in seiner Schulter juckenden Splitter herauszuziehen. Zu zweit zogen sie den Aranker geschwind in den Raum mit den schwarzen Spiegeln und betteten ihn auf die weiße Scheibe. Behänd sprangen sie in den Gang hinaus. Irina schloss die Tür, fuhr mit der Hand über die Wand, in der sich daraufhin sofort ein Bildschirm öffnete.
    »Er lebt noch«, flüsterte Irina. »Sein Gehirn stirbt, doch er lebt noch …«
    Die Wand schien leicht zu vibrieren. Irina sah Martin an. »Fertig! Die Kraftfelder sind angeschlossen«, erklärte sie. »Der Raum ist gegen das gesamte Universum abgeschirmt … soweit das überhaupt möglich ist. Wenn es auf der Welt eine Technologie gibt, mit der man die Seele erfassen kann, dann wird uns das gelingen.«
    »Zunächst mal ziehen Sie mir doch bitte die Scherbe aus dem Rücken«, bat Martin.
    »Drehen Sie sich um«, forderte ihn Irina ohne jeden Widerspruch auf.
    Stoisch ertrug Martin den einige Sekunden währenden Schmerz. Erbarmungslos – ihm, aber auch sich selbst gegenüber – drehte Ira die gläserne Nadel heraus. An ihren Fingern sickerte nun ebenfalls Blut herab.
    »Niemand wird Sie des Mordes beschuldigen … Alles, was hier geschehen ist, ist auf Band mitgeschnitten worden …«, setzte Irina ihm auseinander, gleichsam als bemerke sie das Blut an ihren Händen nicht.
    »Vielen Dank«, erwiderte Martin. Der Zynismus, mit dem Irina die letzten Momente im Leben ihres Freundes zu studieren gedachte, erschütterte ihn.
    »Das war’s, er ist tot«, teilte Irina mit einem Blick auf den Bildschirm mit. »Warten wir noch ein Weilchen … sicherheitshalber.«
    »Was für ein Abschaum Sie sind«, platzte es aus Martin heraus. »Warum haben Sie ihn eigentlich aufgehalten? Hätten Sie ihn doch schießen lassen, dann hätten Sie jetzt auch einen sterbenden Menschen.«
    »Er hat geschossen«, bemerkte Irina, auf den Bildschirm starrend.
    »Wie?« Martin umwehte Eiseskälte. »Was heißt das?«
    Schweigend streckte Irina ihm ihre Hand entgegen. Aus ihrem Handteller ragte gleich einem winzigen funkelnden Splitter ein Metalldorn.
    »Er enthält Toxin, das zehn Minuten nach dem Eindringen ins Blut tödlich wirkt«, erklärte Irina. »Ich habe den Lauf mit der Hand abgeschirmt.«
    »Sie müssen den Verstand verloren

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