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Sphaerenmusik

Sphaerenmusik

Titel: Sphaerenmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarete Friedrich
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vom West-Tower her. Aber wenn ich am nächsten Tag nachsah, war nie etwas zu entdecken, nicht einmal eine Geige.
    „Ich habe ihn in dieser Nacht auch gehört“, fl üsterte Silvia. „Sein Spiel war einzigartig. Und dabei dachte ich, es wäre nur ein Traum. Müssen sich die beiden geliebt haben, noch über den Tod hinaus!“
    Es klang etwas wie Neid in ihrer Stimme. Sie musste wieder an Peter denken und fragte sich, ob er sie auch so über den Tod hinaus lieben und übe rall nach ihr suchen würde. Aber dann stellte sie ihn sich vor, wie er mit der Geige in der Hand durch die Lande irrte, und sie musste über ihren Einfall lachen.
     
    * * *
     
    Nachts, als alle bereits schliefen, stand Silvia noch lange am Fenster und starrte in die Finsternis hinaus. Wolken verbargen Mond und Sterne. Die junge Frau redete sich ein, dass sie nur etwas Luft schöpfen wollte, um besser schlafen zu können, aber in Wirklichkeit wartete sie auf den Phantom-Geiger.
    In Hamburg hätte sie jeden ausgelacht, der b ehauptet hätte, es gebe Gespenster, jedoch hier war alles so anders. Sie fand, dass dieses uralte Schloss direkt zum Gespensterglauben herausforderte. Außerdem rührte sie Daphnes Geschichte, und sie zog Parallelen: Hatte Peter, ihr Freund, nicht auch dunkle Haare und Augen, ja, sogar denselben Vornamen? Denn Pierre ist ja die französische Fassung von Peter. Und beide spielten mit Begeisterung Geige. Dazu kam ihre eigene Ähnlichkeit mit Daphne.
    In ihre Gedanken hinein erklangen Geigentöne, erst leise, dann immer fordernder.
    Sie beugte sich weit aus dem Fenster und sah zum West-Tower hinauf, doch sie konnte in der Dunkelheit nichts erkennen.
    Die Geige schluchzte, rief, klagte. Plötzlich kam der Mond hervor, und die Finsternis wich seinem fahlen Licht. Sie erblickte auf der Zinne des West-Towers eine Gestalt, die in ein weites Cape gehüllt war und einen großen Schlapphut trug.
    Auf einmal war ihr, als ob sich unter ihr etwas bewegt hätte. Sie hatte zwar keine Schritte auf dem Kies gehört, aber doch stand da jemand und starrte zu ihr hinauf. Vom Gesicht konnte sie nichts erkennen, da ein großer Schlapphut es überschattete und der Unbekannte sofort den Kopf abwandte, als er bemerkte, dass sie auf ihn hinabsah. Dann lief er fast unhörbar weiter. Das weite Cape wehte hinter ihm her.
    Das gibt's nicht, dachte Silvia, als die Ersche inung um die Ecke gebogen war. Sie blickte wieder hoch. Die Zinne war leer, doch die Geige sang noch immer ihr einsames Lied. Der Mond war hinter den Wolken verschwunden und auch die Musik erstarb. Die Sterne verschwanden hinter Wolken. Einzelne Regentropfen sprangen ihr ins Gesicht, dann begann es in Strömen zu regnen.
    Trotzdem blieb Silvia noch am Fenster stehen und starrte in die dunkle Nacht hinaus, aber außer dem Prasseln des Regens war nichts mehr zu h ören.
    Vielleicht scheut das Gespenst den Regen, dachte sie amüsiert. Oder gab es zwei Gespenster in dieser Art, liefen ihre Gedanken weiter, denn wie konnte sonst ein Wesen zugleich oben und unten sein? Sicherlich war alles nur eine Halluzination.
    Plötzlich übermannte sie die Angst, ihr Herz klopfte wild. Sie schlug das Fenster zu, verschloss die Tür, warf sich in ihr Bett und zog die Decke über den Kopf. Dann fand sie ihren Humor wieder, und sie dachte belustigt: Wenn Gespenster durch Wände gehen konnten, musste es ihnen auch möglich sein, von Dächern zu schweben.
     
    * * *
     
    Am Morgen brach die Sonne durch die Wolken. Noch trieften zwar die Bäume und Sträucher vor Nässe, aber Silvia war bereits wieder auf Entdeckungsfahrt. Sie hatte einen Regenmantel über ihr Kleid geworfen und war in den Garten geeilt.
    Sie atmete tief die frische Luft ein, dann fiel ihr Blick auf den East-Tower.
    Erwartungsvoll öffnete sie die schwere Turmtür, wurde jedoch enttäuscht. An den Wänden des Raumes standen nur Gartengeräte. Sie lief zur gegenüberliegenden Tür. Dahinter befand sich genau wie im Daphne-Tower ein Gang mit einer Wendeltreppe.
    Auch der Raum im ersten Stock befriedigte ihre Neugierde nicht. Alles, was an frühere Zeiten eri nnerte, war entfernt worden. Helle Tapeten bedeckten die Wände. Moderne Möbel zeugten vom zwanzigsten Jahrhundert.
    Da die Zimmer der nächsten beiden Stockwerke von Mike bewohnt wurden, stieg sie die steile Wendeltreppe bis zur Brüstung empor. Von hier aus war der Ausblick noch grandi oser:
    Hinter der Schlossmauer senkte sich der Abhang ziemlich steil hinab bis zu einem Wildbach, der

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