Sphaerenmusik
biegen.
„Schaut“, rief sie, „hier kann man hinaus und gar zu steil ist der Abhang auch nicht!“
Sie beugte sich in ihrem Eifer so weit vor, dass sie beinahe abgerutscht wäre, wenn der Butler sie nicht zurückgehalten hätte. „Vorsicht, Miss Pamela“, warnte er. „Die Höhe ist noch beachtlich genug, um sich alle Knochen zu brechen.“
Der Ausgang der Höhle befand sich einige M eter über dem mit Steingeröll bedeckten Uferrand, an dem der Wildbach vorbei schoss. Es ging zwar ziemlich steil hinab, aber für einen guten Kletterer war die Höhle durchaus erreichbar.
„Wer die Höhle kennt, für den ist der Weg ins Schloss allerdings leicht“, sagte John kopfschü ttelnd, der nun auch hinunterblickte. „Ich werde veranlassen, dass die Wand sofort ausgebessert wird. Vielleicht können wir auch die Eisentür wieder instand setzen, so dass der Mönch wirklich ein Geist sein muss, um das Schloss weiterhin ungebeten heimsuchen zu können.
Der ‚Mönch’ hatte sich eng an die Wand eines versteckten Seitenganges der Höhle gepresst, in Angst, dass die in sein Reich Eingedrungenen die Höhle näher untersuchen und ihn entdecken wü rden. Er kochte vor Wut, dass sie ihn die ganze Zeit vor sich her gejagt hatten. Und zornig ballte er seine Fäuste, als er hörte, dass John davon sprach, den Gang wieder zumauern zu lassen. Das durfte nicht sein, denn dann war seine Bewegungsfreiheit wesentlich eingeschränkt. Erleichtert hörte er, wie die Eindringlinge in den Tunnel zurückkehrten.
* * *
Oben im Schloss wurde Elisabeth von tausend Ängsten geplagt, da inzwischen die Lunchzeit schon um eine Stunde überschritten und John mit seiner Gefolgschaft noch nicht zurückgekommen war. Ungeduldig lief sie gerade wieder hinaus auf den Gang, der zu den hinteren Zimmern führte, als die Erwarteten endlich in der Tür der Kapelle auftauchten.
„Es wird Zeit“, seufzte Elisabeth. „Meine Güte, wie ihr nur ausseht! Ganz verschmutzt!“
„Nicht schimpfen“, sagte John lachend. „Einen Geheimgang findet man nicht alle Tage.“
„Es war himmlisch, Mam“, jubelte Pamela. „Weißt du, dass...“
„Ich will jetzt nichts hören“, unterbrach sie die Mutter. „Ellen ist schon ganz sauer und jammert um ihr Menü. Zieht euch lieber erst um, damit serviert werden kann, ehe sie uns kündigt. Jeff, sagen Sie bitte Ellen Bescheid, dass in einer halben Stunde serviert werden kann.“
„Ja, Mylady!“
Bevor John ins Esszimmer ging, stieg er wie gewöhnlich selbst in den Keller hinunter, um den Tischwein auszusuchen. Doch kaum hatte er die steile Treppe betreten, stolperte er und stürzte kopfüber mehrere Stufen hinunter. Dann bekam er das Geländer zu fassen und hielt sich krampfhaft daran fest. Keuchend blieb er liegen, noch halb auf der Treppe ausgestreckt.
Ihm war, als hörte er im Keller ein leises G eräusch. Er wollte rufen, war aber noch zu benommen. Kamen da nicht leise Schritte heran? Atmete nicht jemand über ihn gebeugt? Vergeblich versuchte er, sich umzudrehen. Furcht kroch in ihm hoch. Warum war der Unbekannte so still? Warum sagte er nichts?
Plötzlich wurde es oben auf dem Gang lebhaft. Ellen schimpfte laut mit einem Mädchen. John war es, als ob in diesem Augenblick jemand an ihm vorbeischlich. Er versuchte, erneut zu rufen, brachte jedoch nur ein heiseres Krächzen hervor. Inzwischen war auch oben wieder Ruhe eingetr eten. Man hatte noch nicht einmal die offene Kellertür bemerkt.
Vorsichtig kroch John auf dem Bauch ganz nach unten. Dabei durchfuhren ihn heftige Schmerzen. Er drehte sich halb auf die Seite und entdeckte, dass sein rechtes Bein seltsam verrenkt neben dem a nderen lag.
„Sicherlich gebrochen!“, schimpfte er vor sich hin und langsam schwoll auch seine Stimme wieder zur alten Lautstärke an, als er noch einige saftige Flüche folgen ließ. Nachdem er sich dadurch etwas beruhigt hatte, drehte er sich ganz herum, so dass er sich hinsetzen konnte. Dabei kam ihm auch sein übriger Körper wie zerschlagen vor. Dann brüllte er, was seine Lungen hergaben, um Hilfe.
Evelyn war mit dem Servierwagen schon um die Ecke gebogen, ehe ihr zum Bewusstsein kam, dass hinter ihr aus der offenstehenden Kellertür furchterregende Schreie drangen. War da nicht auch noch ein Kettengerassel? Vor Schreck schrie sie laut auf und gab dem Servierwagen einen solch heftigen Stoß, dass er selbständig den Gang entlang fuhr und beinahe Elisabeth umgefahren hätte, die auf den mörderischen Schrei hin
Weitere Kostenlose Bücher