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SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Mascolo
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rasant an Wert, Athen kämpfte mit über 14 Prozent Inflation, die Wirtschaft schrumpfte.
    Jeder Ökonom hätte erkennen können: Griechenlands Wirtschaft war nicht wettbewerbsfähig, sie glich der eines aufstrebenden Entwicklungslandes. Ihre wesentlichen Säulen waren Olivenöl und Joghurt, Schifffahrt und Tourismus, das Land schien, ohne Anstoß von außen, nicht fähig, daran grundsätzlich etwas zu ändern. Der Euro und sein Regime sollten nötige Reformen erzwingen, sie sollten vor allem die Kreditbeschaffung erleichtern. Der Euro-Beitritt wurde Finanzminister Papantonious Auftrag.
    Er nutzte jede Gelegenheit, an den Anspruch Griechenlands zu erinnern. Als sich die EU-Finanzminister im April 1997 in Brüssel trafen, um schon über das Aussehen des neuen Geldes zu diskutieren, warb Papantoniou dafür, nicht nur lateinische Buchstaben auf die Münzen zu prägen, sondern auch griechische. Deutschlands damaliger Finanzminister Theo Waigel lehnte barsch ab. Griechenland sei nicht in der Position, Forderungen zu stellen, sagte er. Und an Papantoniou gewandt: "Ihr seid nicht dabei, und ihr werdet auch nicht dabei sein."
    Später kamen sich die Minister näher, Papantoniou schlug Waigel eine Wette vor: Griechenland werde den Euro bekommen. Und es sollte nur ein paar Jahre dauern, bis diese Wette gewonnen war.
    Waigel, der die Aufnahme Griechenlands in der "Süddeutschen Zeitung" vor einigen Wochen als "Todsünde" bezeichnete, habe sich zu einem Griechenland-Fan entwickelt, sagt Papantoniou. "Waigel war es, der uns in den Euro gebracht hat", sagt er. "Es ist absolut nicht wahr, dass er ein Gegner unseres Euro-Beitritts war."
    Das vorläufige Nein zu Griechenland ist in Wahrheit ein Ja mit Zeitzünder. Bei der nächsten Prüfung ihrer Zahlen, so haben die Deutschen und andere Regierungen den Griechen signalisiert, würden sie Euro-tauglich sein.
    Den Vorwurf, sein Land habe sich mit gefälschten Zahlen den Beitritt zur Euro-Zone erschlichen, wischt der griechische Finanzminister jener Jahre weg mit dem Satz: "Wir haben nichts anderes gemacht als alle anderen Länder."
Die Trickserei der Euro-Kandidaten
    Tatsächlich bestätigt Hans Tietmeyer, damals Präsident der Bundesbank, in seinem Buch "Herausforderung Euro", dass es in einigen Ländern "fragwürdige Schönheitsoperationen gegeben" habe, um Daten über Inflationsraten, Staatsschulden und Preisentwicklung an die Euro-Vorgaben anzupassen. Auch die Kohl-Regierung ließ erst nach Wochen aufgeregter Debatten vom Plan ab, die deutschen Haushaltszahlen durch eine trickreiche Höherbewertung der Goldreserven des Bundes aufzufrischen. Andere Länder hatten noch mehr Anlass zur kreativen Buchführung.
    Italien lag mit einer Staatsverschuldung von 115 Prozent gemessen an der Gesamtwirtschaftsleistung dramatisch weit über der in Maastricht vereinbarten Verschuldungsgrenze von 60 Prozent. Auch Belgien verstieß massiv gegen Vorgaben. Aber nun war die Lage, obwohl ökonomisch im Fluss, politisch schon verfestigt. Es gab, nach Jahren der Debatte, der Ankündigungen, der mehr oder minder historischen Reden auf den Euro kein Zurück mehr.
    Bundesbankchef Tietmeyer sah damals mit Sorge, dass die Europäer im Jahr 1998, beseelt von der Größe ihres Projekts, die endgültige Prüfung, ob überhaupt genügend Staaten die Voraussetzung für den Euro erfüllten, aus den Ablaufplänen der Währungsumstellung gestrichen hatten. Der Euro würde kommen, am 1. Januar 2002, und fast muss es schon hier heißen: Koste es, was es wolle.
    Tietmeyer trug in der vermeintlich entscheidenden Sitzung der Bundesregierung seine Bedenken gegen einige Euro-Kandidaten vor, aber die hatten keinen Ein-fluss mehr. Tatsächlich stand das Ergebnis der Sitzung bereits vorab fest und war sogar schon schriftlich formuliert.
    Helmut Kohl, ein durchaus romantischer Europäer, ein Mann aus der Denkschule des "Nie wieder Krieg!", wollte diesen historischen Entschluss. Der Mantel der Geschichte knatterte, und der Kanzler sagte, wie Tietmeyer sich erinnert, feierlich: "Möge in 50 Jahren der Rückblick auf den Euro ebenso positiv ausfallen wie heute bei der D-Mark."
    Es geht damals, in jenen späten neunziger Jahren, ständig um Zahlen und Daten. Jahr für Jahr laufen die Medien heiß, um darüber zu wachen, ob die künftigen Euro-Länder die jährliche Neuverschuldung bei unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung halten können. Man interessiert sich jetzt für Inflationsraten und Schuldenstände, weil es die

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