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SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Mascolo
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ohne Erinnerung daran, dass in den späten achtziger Jahren die Berliner Mauer fiel, dass die Welt damals noch in dem Gefühl lebte, der Zweite Weltkrieg sei noch nicht sehr lange vergangen, dass Europa darüber diskutierte, ob Deutschland nun wieder eine Gefahr darstelle oder nicht.
    Jacques Delors ist der beste Zeitzeuge, wenn es um diese Dinge geht, er war zehn Jahre lang Präsident der EU-Kommission, er war der federführende Autor des Maastricht-Vertrags, der die Grundzüge des Euro festlegte. Nun muss er sich jeden Tag anhören, wie schlecht seine Arbeit war, wie illusorisch die Vision einer gemeinsamen Währung. Aber er will davon nichts wissen. Wäre es allein nach ihm gegangen, sagt er, wäre Europa viel besser gerüstet gewesen, wäre einheitlicher verfasst, würde zentralisiert regiert von einer Kommission, deren Arbeit nicht dauernd im Rat der Staats- und Regierungschefs zerredet würde.
    Delors wollte immer weitergehen als die Politik-Elite, mit der er es zu tun hatte. Sie war damals – anders als heute, sagt er – durchgehend mit überzeugten Europäern bestückt, Mitterrand und Kohl, Lubbers in den Niederlanden und Silva in Portugal. Aber auch die wagten es nicht, ihre Länder so zu verzahnen, dass von einer echten europäischen Koordination die Rede hätte sein können.
    Der Maastricht-Vertrag, mit dessen Unterzeichnung 1992 die Europäische Union überhaupt erst gegründet wurde, hätte alles möglich gemacht. Er stellte Europa auf "drei Säulen", deren erste die wirtschaftliche war samt "Wirtschafts- und Währungsunion". Der gesetzliche Rahmen war damit gegeben, auch eine gemeinsame Finanzpolitik wäre denkbar gewesen, die Verständigung über eine abgestimmte Steuer- und Zinspolitik. Aber es fehlte der politische Wille, den Rahmen von Maastricht auszufüllen.
    Die "Vereinigten Staaten von Europa" blieben eine Floskel für Sonntagsreden, und doch sollte – mit dem Euro – ein Faktum geschaffen werden, das nicht mehr zurückzunehmen war, eine Art europäischer Urknall, dem eine Evolution folgen und in deren Verlauf sich alle Detailfragen klären sollten.
    Und es ging, das viel-leicht vor allem, um politische Symbolik. Griechenland, sagt Delors, habe er selbst immer als sehr fern empfunden, als eigen, sogar fremd. Die Aufnahme des Landes sei in jedem Fall viel zu früh gekommen. Aber damals, in den neunziger Jahren, stellten sich Politi-ker vor Mikrofone und sagten, Europa sei ohne Athen, ohne die "Wiege der Demokratie", nicht denkbar. Und auch Portugal, mit seiner Nelkenrevolution, hätte es verdient, dabei zu sein. Und den Iren, so lange geschunden von der britischen Krone, musste aufgeholfen werden. Und wer hätte, nur aufgrund von hohen Lohnstückkosten und Inflationsraten, Italien die Tür weisen wollen?
    So taten sich, als die Euro-Zone Wirklichkeit wurde, Elefanten wie Deutschland und Frankreich zusammen mit Mäusen wie Portugal, Irland und Luxemburg. Stabile, wohlhabende Länder des Nordens teilten ein gemeinsames Geld mit wackeligen, unterentwickelten Nationen des Südens, ausgeformte Industriestaaten mit halben Entwicklungsländern und, auch das, strenge Protestanten mit lebensfrohen Katholiken.
    War die Annahme überhaupt vernünftig, dass dieser künstliche Binnenmarkt nun automatisch stärker wachsen würde? Nur weil ein paar Zölle wegfielen? Und weil mit einem anderen Geld die Kosten für die Wirtschaft sanken?
    Die Versprechen des Euro waren, im Vertrag von Maastricht fixiert: eine Währung, die Europa stark macht im globalen Wettstreit; die die europäischen Volks-wirtschaften einander annähert; die die Staaten verpflichtet, Schulden und Defizite zu begrenzen; die garantiert, dass kein Staat für die Schulden eines anderen haftet; die die politische Einheit fördert.
    Details würde man unterwegs klären.
Die Griechen nutzen ihre Chance
    In Griechenland nährte der Euro die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Im Oktober 1993 wurde der Sozialdemokrat Andreas Papandreou als Ministerpräsident wiedergewählt, und im Kabinett der neuen Regierung, sagt der damalige Finanzminister Jannos Papantoniou heute, sei man schnell zu der Auffassung gelangt, dass ein Beitritt Griechenlands zur Währungsunion die einzige Chance sei, die griechischen Finanzprobleme zu lösen.
    Das Land war damals schon weit über seine Möglichkeiten verschuldet. Die Verbindlichkeiten des Staates lagen über der realen Wirtschaftskraft, ihre Summe entsprach 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Drachme verlor

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