Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Mascolo
Vom Netzwerk:
staunt, dass die Griechen derlei nicht haben, findet die Idee aber gut. Er befürwortet sie, auch eingedenk der rätselhaften Fehler, die den Griechen beim Antrag auf Agrarsubventionen angeblich unterlaufen sind – als sie die zu subventionierende Agrarfläche dreimal größer angaben als die Gesamtfläche des Landes.
    Ein Jahr später, seine Amtszeit als Währungskommissar neigt sich dem Ende zu, lässt Bolkestein nachfragen, was mit dem griechischen Kataster passiert sei. Man habe das Projekt aufgegeben, lautet die Antwort.
    Eine Kommission tagt, Thema: Wie viel von den 150 Millionen soll man zurückfordern? Alles, findet Bolkestein. "I want my money back", sagt er. Aber es gibt eine Koalition der Nachsichtigen, erinnert sich Bolkestein, erinnern sich andere, die Nachsichtigen werden angeführt von der Kommissarin Anna Diamantopoulou aus Griechenland. Am Ende werden etwa 75 Millionen Euro zurückerstattet.
    Der Rest sei nicht mehr vorhanden, erfährt Bolkestein. Und wo das Geld geblieben sei? Das wisse niemand.
    Die Deutschen sind mit eigenen Tricksereien beschäftigt, im Schulterschluss mit Frankreich – beide von einem Defizitverfahren bedroht – hebeln sie den Vertrag von Maastricht aus. Sie verweigern sich den Sanktionen. Im EU-Finanzministerrat besorgen sie sich eine Mehrheit, die das Strafverfahren der EU-Kommission kassiert. Es ist ein schwerwiegender Verstoß, dessen Tragweite sich erst später erweisen wird.
    Die deutsch-französische Aktion erledigt den Stabiliäts- und Wachstumspakt, den die Deutschen ihren Partnern aufgezwungen hatten. Die Folgen sind fatal: Wenn sich die beiden größten Volkswirtschaften der Euro-Zone nicht an die Regeln halten, warum sollten es dann die anderen tun? Und wenn sich Deutschland, die selbsterklärte Heimat der Haushaltsdisziplin, nicht mehr um die Disziplin schert – worauf soll man sich in Europa dann noch verlassen?
    Der Sündenfall wird hinter Politsprech versteckt, der Bruch des Pakts mit falschen Bekenntnissen zum Pakt verschleiert. Seine Bestimmungen werden nicht formal abgeschafft, aber informell so aufgeweicht, dass sie in Zukunft jederzeit zum Vorteil einer Regierung in Finanznöten verbogen werden können. Und ein nicht unwesentlicher Nebeneffekt kommt hinzu: Die exekutive Macht in Europa, eigentlich bei der EU-Kommission angesiedelt, die die "Hüterin der Verträge" genannt wird, geht de facto auf den Rat der Staats- und Regierungschef über.
    Statt die Bemühungen der Euro-Zone in Brüssel zu bündeln und zu konzentrieren, wie es gedacht war, regen sich die nationalen Interessen wie-der in Berlin und Paris, in Madrid und Rom, und in Athen gab es ohnehin immer nur sie.
Der griechische Schwindel fliegt auf
    Griechenlands 2004 neu gewählte konservative Regierung legt offen, dass die abgelösten sozialistischen Vorgänger seit dem Jahr 2000 manipulierte Zahlen an Eurostat gemeldet haben. Auch bei den Beitrittsdaten wurde getrickst.
    EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, ein Portugiese, kritisiert Griechenland nicht, sondern lobt die neue Regierung für ihre Offenheit und gratuliert ihr zu den "mutigen Schritten", die Fehler der Vergangenheit wettzumachen. Nun müsse Griechenland "die Dinge bis 2006 in Ordnung" bringen.
    Dabei zeigt sich die neue Regierung in Athen bald ähnlich erfinderisch wie die abgelöste: Verteidigungsausgaben werden zurückgebucht auf den Zeitpunkt der Bestellung, nicht der Bezahlung, und damit aus den aktuellen Büchern herausgerechnet. Haushalte werden be- und entlastet, ganz wie es passt. Die Bürokratie weigert sich, Prognosen über die Haushaltsentwicklung zu machen, und setzt in die Budgetplanungen stets ein schlicht angenommenes Defizit von weniger als als drei Prozent ein.
    Der Leiter der "Schuldenagentur", Christoforos Sardelis, wird abgelöst und ersetzt. Der Nachfolger profitiert wie Sardelis vor ihm von den niedrigen Zinsen für die Schuldtitel des Landes. Noch 2005 sind die Zinsen auf Greek-Bonds um nur 0,16 Prozentpunkte höher als auf deutsche Anleihen. Der Markt kauft, die Griechen verkaufen. Im Jahr 2006 steigt die Staatsverschuldung um weitere 14,7 Prozent.
    In Brüssel beginnt ein "blame game", es wird darüber gestritten, wer eigentlich wen falsch oder unzureichend informiert: Der Währungskommissar der EU zeigt auf den Generaldirektor von Eurostat, der die Schuld weiterreicht an die EU-Kommissare, die die Europäische Zentralbank kritisieren, nationale Regierungen und Finanzminister mischen mit, und es

Weitere Kostenlose Bücher