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an Lagerhalle, und fast alle sind stillgelegt, obwohl sie aussehen wie neu. Hier bekommt man Antworten auf die Frage, warum Griechenlands Wirtschaft nicht wächst, warum sie nicht konkurrenzfähig ist, warum im Land nichts vorangeht.
Die meisten Firmen hier, erzählt der Unternehmer Demetri Politopoulos, haben den Betrieb überhaupt nie aufgenommen, sie sind Ruinen der Subventionsbetrügerei. Ihre Bauherren besorgten sich Geld und billige Kredite bei der Regierung in Athen und von der EU, stellten Gebäude hin, ohne in ihnen je ein Geschäft betreiben zu wollen.
Demetri Politopoulos wollte wirklich Geschäfte machen, er errichtete seine Macedonian Thrace Brewery in einer der leeren Straßen, er hatte das Bierbrauen in Amerika gelernt, nun kam er zurück in die Heimat, um ein erfolgreicher Unternehmer zu werden. Seine Idee war, sich weitab der urbanen Zentren, fern von den übermächtigen Konkurrenten in der Provinz niederzulassen, um hier eine lokale Kundschaft zu erobern.
Dieser Plan ging nicht auf. Dass ihm Unbekannte, mutmaßlich im Auftrag von Konkurrenten, die Reifen seiner Lieferwagen aufschlitzten und seine Fertigungsanlagen sabotierten, war schon hässlich. Egal, wie weit er seine Preise senkte – die Getränkevertriebe schienen sich gegen ihn verschworen zu haben. Und fast komisch sind seine Erlebnisse mit dem griechischen Staat.
Politopoulos erzählt von seiner Geschäftsidee, außer Bier auch eine Limonade aus griechischem Bergtee zu brauen. Er hatte schon alles beisammen, hatte im ganzen Land 62 Tonnen Bergteekraut zusammengesucht, hatte sich Gedanken über die Vermarktung gemacht, über den Vertrieb, als ihm die Gesundheitsbehörde in Athen mitteilte, die Bewilligung für die Produktion seines Erfrischungs-Drinks könne nicht erteilt werden.
Grund: ein Gesetz aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, erlassen unter der Regentschaft des bayerischen Prinzen Otto von Wittelsbach, 1832 zum König von Griechenland gekrönt, der aus Deutschland das Reinheitsgebot für Bier mitgebracht hatte. Und darin stand, dass in einer Bierbrauerei nichts anderes hergestellt werden dürfe als Bier. Für eine separate Produktionsstätte fehlte ihm das Geld, also keine Limonade aus Bergtee.
Politopoulos erlebt sein Unternehmertum in Griechenland als ewigen Kampf mit der Bürokratie, mit Korruption und Unfähigkeit, und so wie ihm ergeht es Hunderten, Tausenden Unternehmern im Land. Transparency International hält Griechenland für das korrupteste Land der EU, Genehmigungen und Bescheinigungen gebe es nur gegen Bares. Im Land selbst findet das nicht jeder problematisch. Manche halten es für einen Teil der griechischen Kultur, und die sind auch der Meinung, Steuern zu zahlen sei überflüssig. So hat der Staat ein doppeltes Einnahmeproblem: Die Bürokratie hindert Unternehmen daran, zu wachsen und Gewinn zu machen; und die Unternehmen, die wachsen und Gewinn machen, finden Wege, kaum Steuern zu zahlen.
Die griechische Steuerkultur
Von den 9841 Inseln, die zu Griechenland gehören, sind 220 bewohnt, und auf einer davon, Sifnos, lebt der schwerreiche Yacht-Unternehmer, Steuerbetrugsbefürworter und frühere Studentenrevolutionär Georgios A. Vernicos. Wer ihn besucht, lernt dieses Land besser zu verstehen, als wenn er Zahlenkolonnen über Wachstum, Verschuldung und Zinsen liest.
"Griechenland ist ein extrem schönes Land", sagt Vernicos, er ist 61 und sitzt im Garten seiner Villa am Meer, "und damit nicht jeder hierherkommt, haben wir es für andere sehr schwierig gemacht, bei uns zu überleben." Es ist nicht ganz klar, ob er bloß einen Witz gemacht hat.
1973 gehörte Vernicos zu den Anführern des Studentenaufstands gegen die Militärdiktatur, er kam dafür ins Gefängnis. Später gründete er "Vernicos Yachts", das heute führende Unternehmen für die Vermietung und den Verkauf von Yachten. Er ist nebenbei auch Generalsekretär des griechischen Tourismusverbands.
Seine Kundschaft ist ins Visier der Steuerfahnder geraten, die bei der Hälfte der rund 10 000 in griechischen Häfen liegenden Yachten von Steuerbetrug ausgehen. Vier Millionen Euro kostet bei Vernicos die durchschnittliche 30-Meter-Motor-Yacht. Manche Besitzer registrieren ihre Schiffe über Offshore-Firmen in Zypern, Panama oder auf der Isle of Man, um Steuern zu vermeiden, andere kennen einen noch besseren Trick.
"Man meldet das Schiff statt als Privat-Yacht als Charter-Boot an, also zum Vermieten." Für den Kauf von Privat-Yachten zahle man Mehrwert-
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