SPIEGEL E-Book: Best of SPIEGEL:Ausgezeichnete SPIEGEL-Autorinnen und Autoren des Jahres 2012 (German Edition)
wir gehen noch mal ganz nach vorne.
SPIEGEL: Man hat nicht den Eindruck, als sei Ihnen Materielles egal. In Ihr Weingut in Frankreich, 28 Hektar groß, haben Sie fast eine Million Euro gesteckt, Ihre Villa in Freiburg hat fünf Millionen gekostet, allein der Swimmingpool eine Million.
Beltracchi: Stimmt nicht. Der Pool hat 700 000 Euro gekostet. Das Geld war nichtig, es ging um den Spaß, den das machte. Für mich war das Kunst.
SPIEGEL: Und wenn das Geld weg war, damals in den siebziger Jahren?
Beltracchi: Dann habe ich wieder Bilder gemalt. Außerdem habe ich damals auch meine eigenen Sachen gemacht: Acryl auf Leinwand, ziemlich detailliert, fast fotorealistisch, sehr aufwendig.
SPIEGEL: Ihre Bilder wurden in den siebziger Jahren sogar im Haus der Kunst in München gezeigt.
Beltracchi: Ja, auf einmal waren die Türen offen. Ich bin angesprochen worden von Sammlern, von Galeristen. Für eins meiner Bilder gab es 11 000 Mark, für zwei andere noch mal 5000. Das war viel Geld.
SPIEGEL: Stimmt es, dass Sie Ihre eigenen Bilder irgendwann sogar zurückkauften?
Beltracchi: Es gibt eine Geschichte von E. T. A. Hoffmann, die im Paris des 17. Jahrhunderts spielt, über einen Juwelier, der ganz tollen Schmuck macht. Jedes Mal, wenn er ein Schmuckstück verkauft hat, werden die Damen ermordet und verschwindet der Schmuck. Ich habe natürlich die Besitzer der Bilder nicht ermordet, aber ich kann das verstehen. Ich wollte meine Bilder wiederhaben und sie eigentlich auch nie verkaufen.
SPIEGEL: Haben Sie die Bilder heute noch?
Beltracchi: Nicht alle. Eins ist in Freiburg, eins in Frankreich.
SPIEGEL: Wie viele eigene Bilder haben Sie in den siebziger Jahren gemalt?
Beltracchi: Vielleicht zehn.
SPIEGEL: So wenig?
Beltracchi: Ja, was denn? Vermeer hat in seinem ganzen Leben nur 40 gemalt.
SPIEGEL: Und wie viele Fälschungen haben Sie damals gemacht?
Beltracchi: Das kann ich jetzt nicht sagen. Sonst schreit mein Anwalt.
SPIEGEL: Das wäre schon interessant.
Beltracchi: Die Rechnung ist doch ganz leicht: Nehmen Sie …
Helene Beltracchi: Hörst du auf!
Beltracchi: … ich habe immer nur gemalt, wenn ich Lust hatte und Geld brauchte. Das hat sich aber nie wirklich professionalisiert, auch wenn es die Händler gerne gehabt hätten. Es ging hoch her im Kunstmarkt, man hätte auch 1000 oder 2000 Bilder verkaufen können.
SPIEGEL: Sie haben Anfang der achtziger Jahre auch mal eine Kunsthandlung gehabt, zusammen mit einem Immobilienmakler aus Düsseldorf.
Beltracchi: Nicht lange. Ich musste im Büro sitzen, das war nichts für mich. Plötzlich hatte ich einen Typen an der Backe, der vor allem ganz schnell ganz viel Geld verdienen wollte. Er gab mir eine viertel Million Mark, die ich für Bilder ausgeben konnte. Ich bin nach London, zu Christie's, zu Sotheby's, und habe eingekauft: einen Teniers, einen Cranach, einen wunderschönen Joachim Beuckelaer, 16. Jahrhundert. Der hat das nie begriffen und glaubte, man kauft so ein Bild, und nach zwei, drei Wochen wird es mit Gewinn weiterverkauft. Tatsächlich muss man sich ein paar Jahre Zeit lassen, wenn es funktionieren soll.
SPIEGEL: Der Makler hat später behauptet, Sie seien bei ihm eingebrochen und hätten Bilder gestohlen, die dann auf einer Auktion wieder auftauchten.
Beltracchi: Einen Einbruch? Lächerlich. Das haben Sie ja auch im SPIEGEL geschrieben. Da stand sogar, dass Bilder aus dem Rahmen geschnitten worden seien. So ein Wahnsinn! Ich hätte so ein Bild gefälscht, aber niemals geklaut.
Beinahe hätte die Fälscherkarriere schon in den neunziger Jahren ihr Ende gefunden. Die Berliner Polizei ermittelte damals gegen zwei aus Aachen stammende Kunsthändler und einen heroinabhängigen technischen Zeichner. Seit Ende der achtziger Jahre hatten sie mit gefälschten Gemälden gehandelt, vorzugsweise Werken des kaum bekannten Expressionisten Johannes Molzahn, aber auch ein Campendonk war darunter. Die Bilder waren für vergleichsweise geringe Summen von jeweils mehreren zehntausend Mark gehandelt worden, die Strafen fielen milde aus. Urheber der meisten Fälschungen, 21 insgesamt, so fand die Polizei heraus, sei ein gewisser Wolfgang Fischer aus Krefeld. Doch die Ermittler konnten ihn nicht finden.
Beltracchi schaut sich die Abbildungen an. "Das da ist klasse", sagt er. "Das da Schrott." Er blättert. "Und das soll ein Campendonk sein? Das hat bestimmt der Junkie gemalt. Ich stehe zu meinen Bildern, aber da
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