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einen Bogen darum gemacht. Ich wollte nicht so nah heran, weil ich Angst hatte, dass das Bild mit mir spricht.
SPIEGEL: Sie haben Mitte der achtziger Jahre in Krefeld Otto Schulte-Kellinghaus kennengelernt, der ebenfalls verurteilt wurde. Sie haben gemalt, er war zuständig für den Vertrieb. Und es begann auch die Zeit, wo Provenienzen für die Bilder erfunden werden mussten.
Beltracchi: Ich wollte nicht bei Händlern oder Experten in Erscheinung treten. Vorher war das auf der Flohmarktschiene gelaufen. Otto hat sich die Sammlung Knops einfallen lassen. Den Schneidermeister Knops aus Krefeld, seinen Großvater, hat er zum Kunstsammler gemacht. Aber das mit der Provenienz haben wir damals nicht so ernst genommen.
Die beiden Beltracchis können sehr ausgiebig über den Kunstmarkt schimpfen. Ein bisschen erinnern sie dann an Fahrraddiebe, die dem Bestohlenen vorwerfen, er hätte doch sein Fahrrad besser abschließen können. Wie reich sie durch ihren Betrug geworden sind, wie viel nicht nur künstlerische, sondern auch merkantile Begabung dazugehört und wie genau sie die Mechanismen des Marktes verstanden haben, das würden sie am liebsten gar nicht gedruckt sehen.
Und doch zeichnet der Fall Beltracchi ein ziemlich genaues Abbild des globalen Kunstmarkts: Angesehene Galerien in Paris, Zürich, London, New York spielen da eine Rolle. Renommierte Händler wie das Kunsthaus Lempertz in Köln. Dubiose Firmen auf den Virgin Islands oder in Hongkong, die klammen Galeristen die Zwischenfinanzierung ermöglichen. Museen wie das MoMA in New York, das Sprengel Museum in Hannover, die Hermitage in Lausanne, die die Fälschungen ausstellen. International agierende Häuser wie Christie's, die die Bilder schließlich zu Höchstpreisen versteigern an Sammler, die es sich leisten können. So landeten Beltracchis Fälschungen nicht nur bei einer diskreten Firma auf Malta, hinter der osteuropäische Investoren vermutet werden, sondern auch in der Sammlung des schwäbischen Unternehmers Würth oder im Privatbesitz des Hollywood-Schauspielers Steve Martin. Oder in der Kunststiftung des Bohrmaschinenherstellers Hilti, in der Surrealismus-Sammlung des früheren "Paris Match"-Verlegers Daniel Filipacchi und auch bei anderen Industriellenfamilien in Paris oder bei Investmentfirmen in der Schweiz.
Niemand der Beteiligten, über die die Bilder in den Kunstmarkt gelangten, scheint echte Zweifel gehabt zu haben. Weder Henrik Hanstein, Chef des Kunsthauses Lempertz und fleißiger Abnehmer von Beltracchi-Bildern, noch Werner Spies, ehemaliger Museumsleiter im Centre Pompidou in Paris und Max-Ernst-Experte, der gleich sieben Beltracchi-Nachahmungen für echt erklärte. Zweifel sind schlecht für das Geschäft.
Ein Händler, der ein Bild für 100 000 Euro ankauft, aber weiß, dass er es für 200 000 oder 300 000 Euro weitergeben kann, will sich möglicherweise nicht so viele Gedanken machen. Meistens wurden die Gemälde noch von einem Restaurator untersucht, aber Beltracchis Bilder waren so gut, dass nichts auffiel. Wenn das Gemälde schließlich in einem Museum gezeigt und von einem wichtigen Sammler gekauft wird, entsteht aus dieser Kette eine perfekte Provenienz. Erst recht, wenn sie bei den großen Galerien am Anfang des 20. Jahrhunderts beginnt, bei Flechtheim und der Galerie "Der Sturm".
Zweifel gab es, aber die hatten nichts mit der Echtheit der Bilder zu tun: Der jüdische Kunsthändler Flechtheim hatte in den dreißiger Jahren Deutschland verlassen müssen. Was aus den Bildern seiner Sammlung geworden ist, darum tobt seit Jahren ein Restitutionsstreit. Bilder aus jüdischem Besitz, die von den Nazis enteignet wurden, die wären ein Problem.
SPIEGEL: Alle wollen, dass ein Bild echt ist?
Beltracchi: Es hilft, wenn es auch noch toll aussieht und keine Auffälligkeiten hat. Niemand will, dass ein Bild falsch ist. Die denken alle sehr positiv.
SPIEGEL: Sie haben sich 1989 vorübergehend von Schulte-Kellinghaus getrennt. Warum eigentlich?
Beltracchi: Na ja, wir hatten geschäftliche Differenzen. Ich hab dann erst mal ein Drehbuch geschrieben für ein Roadmovie mit viel Musik, das hauptsächlich in Marokko spielt, wo ich mal Anfang der achtziger Jahre ein Jahr lang gelebt habe. Wir haben dafür sogar offizielle Drehbuchförderung bekommen. Am Ende ist der Film aber an der Finanzierung gescheitert.
SPIEGEL: Sie haben nicht mehr gemalt?
Beltracchi: Es gab noch genug Bilder auf Lager, außerdem ist der
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