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Beltracchi: Dann hätte er diese Bilder auch markieren können. Es gibt Fälscher, die das gemacht haben.
Beltracchi: Bei einem Max Ernst habe ich mal kurz überlegt, eine Micky Maus hineinzumalen. Aber die, die so etwas gemacht haben, waren meist nur kurz im Geschäft. Meine eigenen Sujets zu malen, das hat mir Spaß gemacht, ich konnte die auch gut verkaufen, aber ungemalte Bilder anderer zu malen war weitaus faszinierender.
Einer der berühmtesten Fälscher des 20. Jahrhunderts ist der Niederländer Han van Meegeren. Er hatte sich als neoklassizistischer Künstler versucht, hasste die Kunstkritiker und begann, Bilder im Stil des berühmten Jan Vermeer zu malen, der zum Erstaunen der Kunstwelt kaum christliche Motive hinterlassen hatte. Van Meegeren lieferte sie nach, die Motive dachte er sich aus, auch wenn die Frisuren seiner Figuren manchmal eher in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts passten als ins 17. Jahrhundert. In seiner Villa an der Côte d'Azur perfektionierte er die künstliche Alterung von Leinwänden mit Hilfe eines selbstentwickelten Trockenofens. 1942 verkaufte er einen Vermeer ("Christus und die Ehebrecherin") an Hermann Göring. Nach Kriegsende wurde er wegen Kollaboration verhaftet. Er legte ein Geständnis ab und malte in der Zelle vor den Augen der Ermittler einen Vermeer.
Je mehr sich der Kunstmarkt nach dem Zweiten Weltkrieg kommerzialisierte, umso öfter versuchten Fälscher davon zu profitieren. Dazu gehört der Königsberger Lothar Malskat, der Werke von Beckmann, Chagall und Munch fälschte und 1955 zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde, oder auch der Ungar Elmyr de Hory (Derain, Matisse, Picasso), der sich vor seiner Auslieferung an die französische Justiz 1976 das Leben nahm. Der Engländer Tom Keating will in seiner Karriere mehr als 2000 Bilder im Stil alter Maler produziert haben. In einem Rembrandt-Bild malte er einen Zecher, der ein Guinness-Glas in der Hand hält. Nach seiner Enttarnung wurde er eine Art Volksheld und moderierte eine Fernsehsendung.
"Wenn es gut gefälschte Bilder sind", soll Picasso einmal gesagt haben, "wie herrlich wäre das! Ich würde mich hinsetzen und die Bilder signieren."
SPIEGEL: Warum können Sie das eigentlich so gut?
Beltracchi: Ich glaube, die wichtigste Voraussetzung ist, das Wesen eines Kunstwerks zu erfassen. Man schaut es sich an, nimmt es quasi in sich auf, man muss sehend verstehen können, ohne darüber nachzudenken, wie das gemacht wurde. Ich konnte das schon als Kind.
SPIEGEL: Es gibt in England einen Mann, der nach einem Hubschrauberflug über London ein Panorama der Stadt aus Vogelperspektive bis ins kleinste Detail nachzeichnen kann. Das ist verblüffend.
Beltracchi: Der hat so eine Art Autismus. Ich habe das nicht.
SPIEGEL: Wann haben Sie angefangen zu malen und zu zeichnen?
Beltracchi: Mit zehn oder zwölf. Mein Vater war Kirchenmaler und Restaurator, wir lebten in Geilenkirchen, in der Nähe von Aachen. Ich habe ihm öfter geholfen. Wenn er Kopien Alter Meister malte, waren manchmal die Hände nicht so gut, und ich fragte ihn: Papa, was ist denn da passiert? Meine Schwester behauptete, dass ich als Kleinkind wirkte, als sei ich behindert: Der Wolfgang, der hat immer nur dagesessen und geguckt. Das Interessante ist, dass ich im normalen Leben die einfachsten Dinge nicht sehe. Ich stolpere oft oder falle sogar hin. Aber wenn ich zeichne oder mir ein Bild anschaue, dann schalte ich eine Art Overdrive an und sehe einfach anders als andere Menschen.
SPIEGEL: Vor Gericht haben Sie erzählt, wie Sie für Ihren Vater einen frühen Picasso kopierten.
Beltracchi: Ich war 14, und mein Vater gab mir diese Postkarte. Ich durfte zum ersten Mal seine Ölfarben benutzen. Mir gefiel das Original nicht, das war mir zu traurig, also habe ich es verändert, ein Tuch weggelassen, das Bild weniger monochrom gestaltet. Das Malen dauerte einen Nachmittag lang. Mein Vater hat zwei Jahre lang keinen Pinsel mehr angerührt.
SPIEGEL: Weil es so gut, so schnell gemalt war?
Beltracchi: Die Zeit, in der so ein Bild entsteht, die Bewegungen, das macht den Duktus aus. Wenn ein Maler damals zwei, drei Stunden für eine kleine Leinwand brauchte, dann darf man selbst nicht schon in einer Stunde oder erst in vier Stunden fertig werden. Dann stimmt der Duktus irgendwie nicht.
SPIEGEL: Mit 17 flogen Sie von der Schule.
Beltracchi: Ich hab damals in einer Stripbar gekellnert. In Aachen, Cortis hieß der Laden, und ich hab
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