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sind einige nicht von mir. Ich habe immer befürchtet, dass diese Leute eines Tages auffliegen."
SPIEGEL: Wurden neben den Molzahns bei Ihnen auch andere Bilder bestellt? Beispielsweise Campendonks?
Beltracchi: Meine Herren, da kann ich nur eins sagen: Bestellt hat bei mir nie irgendjemand. Ich habe gemalt, weil ich es wollte. Dass Sie mir so etwas unterstellen wollen, wirklich unglaublich.
SPIEGEL: Es gibt einen Ausstellungskatalog der Galerie Claus Runkel in London aus dem Jahr 1986.
Beltracchi: Den Katalog haben Sie? Ich habe ihn noch nie gesehen.
SPIEGEL: Dort sind Bilder drin, das könnten auch Beltracchis sein: zwei Campendonks, "Gelber Akt mit Reh in Berglandschaft" und "Rote Kuh vor Häusern", und eines des russischen Malers Wladimir Bechtejew, das "Landschaft bei Murnau" heißt. Kennen Sie die Bilder?
Beltracchi: Die sind schön, oder nicht?
SPIEGEL: Sie müssten noch einmal Ihre Arbeitsweise erklären: Sie haben sich mit einem Künstler beschäftigt und dann kleine Serien gemalt?
Beltracchi: Serien habe ich nicht gemalt, aber man muss sich wirklich intensiv auf den Künstler einlassen. Deshalb kam es auch vor, dass ich Jahre später erneut einzelne Bilder eines Künstlers gemalt habe. Da war der Aufwand nicht so groß. Das Problem war auch nie das Malen selbst, sondern es war vor allem kompliziert, alte Leinwände, Rahmen zu finden, die gab es manchmal für 30 Euro, manchmal auch für 5000 Euro. Das waren zum Teil echt schöne Bilder, die ich noch heute im Kopf habe. Wenn ich die alten Farben nicht runterbekam, habe ich Details des alten Bildes in das neue übernommen.
SPIEGEL: Sie haben in Ihrem Geständnis vor Gericht beschrieben, wie Sie sich einem Künstler genähert haben.
Beltracchi: Ja, am Beispiel von André Derain, der neben Matisse einer der Hauptvertreter des Fauvismus war. Dazu muss man wissen, dass nur Derains aus der fauvistischen Phase hohe Preise erzielen, also aus den Jahren 1905 bis 1909. Zuerst habe ich mir die Literatur über den Künstler besorgt, dann Ausstellungen und Museen besucht. Es war wichtig, die Bilder im Original zu sehen, weil die Farben im Druck oft falsch sind. Ich bin auch nach Collioure gefahren, wo Derain 1905 mit Matisse den Sommer verbracht hat. Ich hab mir das Dorf angeschaut, den Strand, das Licht, die Atmosphäre und die Stimmung jenes Sommers erspürt.
SPIEGEL: Wie geht das?
Beltracchi: Ich habe mich mit der Person Derains und seiner Zeit vereinigt. Dreyfuss stand gerade vor dem Freispruch, Clemenceau sollte bald Ministerpräsident werden, der Erste Weltkrieg in neun Jahren beginnen. Derain hat in diesem Sommer großartige Bilder gemalt. Ich habe das Besondere eines Künstlers erkannt, um es vielleicht noch ein wenig besser zu machen, als er es selbst geschafft hat. Was ja möglich ist, schließlich weiß man heute, wie sich die Kunstgeschichte seitdem entwickelt hat.
SPIEGEL: Klingt alles seltsam.
Beltracchi: Ist aber der zentrale Punkt. Jedes Philharmonie-Orchester interpretiert nur den Komponisten. Mir ging es darum, neue Musik dieses Komponisten zu schaffen. Ich wollte das kreative Zentrum des Malers so erreichen und kennenlernen, dass ich die Entstehung seiner Bilder mit seinen Augen und eben auch das neue, von mir gemalte Bild mit seinen Augen sah – und zwar bevor ich es malte.
SPIEGEL: Ihre Campendonk-Fälschungen beispielsweise haben dazu geführt, dass die Preise für seine Bilder auf dem Kunstmarkt geradezu explodierten.
Beltracchi: Verdreifacht. Auch bei Pechstein oder Max Ernst. Dessen Witwe Dorothea Tanning, selbst Künstlerin, hat über eine meiner Fälschungen gesagt, das sei der schönste Max Ernst, den sie je gesehen habe. Die Kunst ist es, ein Bild zu malen, das es nicht gibt, aber doch perfekt ins Werk passt. Auch wenn im Verfahren Gutachter anderes behaupteten: Ich habe bei keinem einzigen Bild technische Hilfsmittel benutzt. Keine Projektoren, keine Raster. Ist ja lächerlich. Warum soll ich eine Skizze umständlich projizieren, wenn ich sie aus der Hand malen kann?
SPIEGEL: Warum macht Sie das so wütend?
Beltracchi: Ärgerlich macht mich das. Das sind doch nur nachträgliche, ärmliche Erklärungsversuche von Experten, die die Bilder jahrelang hochgelobt haben.
SPIEGEL: Sie selbst hätten Ihre Bilder als Fälschungen erkannt?
Beltracchi: Natürlich. Es war auch immer ein bisschen merkwürdig, wenn ich in einem Museum eins dieser Bilder sah. Ich habe da in diesem Moment lieber
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